Ohne Migration kein Service
Symbolbild: Ein leerer Biergarten – Mitarbeitende unterschiedlicher Herkunft werden dringend gesucht
Anna Vogler
Ein Beispiel dafür ist die 32-jährige Jeje, die nicht mit vollem Namen genannt werden möchte. Wir haben sie getroffen und über ihre Erfahrungen gesprochen. Auch sie arbeitete in der Gastronomie. Sie ist in Indonesien geboren und kam 2016 nach Deutschland. Hier beginnt sie als Au-pair zu arbeiten und absolviert im Anschluss daran ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Schnell steht für sie fest, dass sie in Deutschland bleiben möchte, um hier zu leben und zu arbeiten.

Jeje, 32 Jahre alt, im Interview im englischen Garten.
Anna Vogler
Der steinige Weg in die deutsche Arbeitswelt
Jejes Ziel ist ursprünglich nicht die Gastronomie: In Indonesien hat sie erfolgreich Linguistik mit dem Schwerpunkt Niederländisch studiert und will als Dolmetscherin arbeiten. Sie benötigt ein Deutsch-Zertifikat, um erstmal als Au-pair eingestellt zu werden. Während der Zeit als Au-pair und im FSJ besuchte sie ebenfalls einen kostenfrei angebotenen Deutschkurs. Zertifikate erhält sie dafür nicht. Ihr Talent für Sprachen erkennt man auch daran, dass sie ein sauberes nahezu akzentfreies Deutsch spricht. Doch Talent reicht nicht aus: Ihr Studium und vorhandene Qualifikationen werden nicht anerkannt – Jeje muss sich eine andere Arbeit suchen, um in Deutschland bleiben zu dürfen.
Nicht nur in München und für Jeje ist die Anerkennung eines Studiums ein Problem. Bundesweit ist dies eine der größten Hürden: „Es dauert einfach viel zu lange“, sagt Vasilena Habermann, Flüchtlingskoordinatorin der Gemeinde Gründau (Hessen). „Da bleibt das Potenzial einfach so liegen, wenn ich ganz ehrlich bin.“ Habermann selbst zieht vor etwa 20 Jahren von Bulgarien, wo sie geboren und aufgewachsen ist, nach Frankfurt am Main, um dort an der Universität einen Magister in Politik- und Kulturwissenschaften zu machen. Vor ihrer aktuellen Tätigkeit ist sie als Dozentin im Bereich der Erwachsenenbildung tätig gewesen. Zusätzlich arbeitet sie im Main-Kinzig-Kreis für alle Behörden als Dolmetscherin.
Aus ihrer langjährigen Erfahrung heraus weiß sie, wie schwierig es ist, dass Berufsabschlüsse von Menschen mit Migrationshintergrund anerkannt werden, vor allem in reglementierten Berufen.
Besonders oft habe sie Lehrkräfte aus Syrien kennengelernt, die in Deutschland keine Chance hatten in ihrem ursprünglichen Beruf zu arbeiten. Auch Ärztinnen und Ärzte dürften nur selten ihre Profession in Deutschland ausüben. Sie erzählt von einem Radiologen, der in Deutschland maximal als Pfleger hätte arbeiten dürfen und deshalb lieber im Sozialsystem bleiben wollte. „Viele haben das aber auch – ich muss das nochmal hinzufügen – als Chance erfasst“, sagt die Flüchtlingskoordinatorin.
Auch Jeje ergriff diese Chance und entschied sich, einen neuen Beruf in Deutschland zu erlernen: „Hotels nehmen Leute schnell. Ich brauchte ein Visum und in der Gastronomie gibt es immer Arbeit.“
Mitarbeitende dringend gesucht
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Während die Anzahl an Auszubildenden in Gastronomie und Beherbergung laut Statistischem Bundesamt innerhalb von zehn Jahren konstant nur um insgesamt rund 20.000 sinkt, nimmt die Gesamtzahl aller Beschäftigten rasant ab. Die Zahlen kommen aufgrund der komplexen Erhebung immer erst mit einer Verzögerung von etwa eineinhalb Jahren. Die Langzeitstudie zeigt: Seit 2012 ist die Summe nur zu Zeiten von Corona niedriger als im Jahr 2022 mit etwa 800.000 Beschäftigten. Zu Spitzenzeiten waren weit über eine Million Menschen in Gastronomie und Beherbergung tätig.
Die Grafik zeigt also deutlich, wie dringend diese Branche tatsächlich Mitarbeitende braucht. Zumal die Ausgaben der Deutschen für Gastronomie und Beherbergung seit Corona bereits drastisch angestiegen und auf einem absoluten Höchststand seit 1992 sind. Auf der Seite des deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) ist zu sehen, dass 2022 bereits wieder 100 Milliarden Euro (netto) Umsatz im Gastgewerbe gemacht wurden.
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Diese Grafik untermauert zusätzlich die entstandene Diskrepanz. Die Anzahl aller Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe hat sich 2022 dem Höchststand vor Corona bereits wieder angenähert. Zeitgleich ist die Zahl aller Betriebe, die ausbilden, auf nur noch knapp 13.000 gesunken.
Im Hotel- und Gaststättengewerbe gibt es einige Möglichkeiten, eine Ausbildung zu absolvieren. Jeje entscheidet sich für eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Schnell fühlt sie sich unterfordert. „Ich kann mehr“, denkt sie sich und sucht nach einer besseren Variante. Die Hotellerie soll es weiterhin sein: Als Hotelkauffrau malt sie sich mehr Chancen aus, später aufsteigen zu können. Der Unterschied zwischen den beiden Ausbildungsberufen ist, dass der kaufmännische Anteil bei Hotelkaufleuten wesentlich höher ist und dieser Ausbildungsberuf stärker auf Büro- und Verwaltungsaufgaben ausgerichtet ist.
Auf Ihrer Website wirbt die DEHOGA für eine „Offensive für die Ausbildung“, da Auszubildende die Fachkräfte von morgen seien. Doch die Grafiken zeigen deutlich, dass die Anzahl der Auszubildenden nicht reichen wird, um den Fachkräftemangel auszugleichen. Dies ist auch der DEHOGA bewusst. So nennt sie die Gastronomie „die Branche der Chancen“ und betont, dass Deutschland aufgrund der Demografie nicht ohne die gezielte Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland auskomme.
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Die meisten Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland leben, sind unter 45 Jahre alt. Sie tragen maßgeblich dazu bei, das deutsche Sozialsystem am Laufen zu halten. Weitere Informationen zum demografischen Wandel und warum Arbeitskräfte aus dem Ausland wichtig für Deutschland sind, beschreibt das folgende Video:
Von Hoffnungen und Herausforderungen
Doch wie ist es für Ausländer hier in Deutschland zu arbeiten? Um Hotelkauffrau zu werden, muss Jeje das Hotel wechseln und auch die Stadt verlassen. Sie beginnt in einem ländlichen Familienhotel zu arbeiten und erzählt uns, sie habe anfangs von einem eigenen Hotel in Bali geträumt und bereits große Pläne gehabt. Doch statt Rechnungen zu verwalten oder Gäste zu betreuen, bestand ihr Alltag nur daraus Zimmer zu putzen. Ein Jahr lang durfte sie nur im Housekeeping arbeiten. Sie sei nur als billige Arbeitskraft ausgenutzt worden, berichtet sie.
„Es waren viele Ausländer dort im Hotel und uns wurde ein bisschen Angst gemacht“, berichtet sie. Dazu kamen konkrete Drohungen: Vorgesetzte sagten, im Falle einer Kündigung oder eines Wechsels würde sie ihr Arbeitsvisum verlieren. Zusätzlich erlebt sie Anfeindungen von Ortsansässigen und von den eigenen deutschen Kollegen. Sie hält es nicht mehr aus und sucht sich ein neues Hotel in München. Dort erfährt sie mehr Unterstützung als zuvor, zum Beispiel bei der Suche nach einer Wohnung, und beendet dort schließlich ihre Ausbildung. „Die Ausbildung war richtig gut dort. Da habe ich mich wohl gefühlt und konnte wirklich etwas lernen.“
In der Gastronomie bleibt Jeje trotz der guten Eindrücke im letzten Betrieb nicht. Nach all den gemachten Erfahrungen sagt sie: „Ich habe wirklich Respekt vor den Leuten, die in der Gastronomie arbeiten. Ich würde aber auf keinen Fall dorthin zurück gehen.“ Stattdessen arbeitet sie heute, nach einer weiteren Ausbildung, als Erzieherin. Ihr Studium konnte sie für die Ausbildung zur Erzieherin nutzen: Es zählte, nach über einem Jahr Anerkennungsprozess, als gleichwertig mit dem deutschen Abitur.
Arbeitnehmerrechte sind eine Randnotiz
Auf die Frage, was ihr geholfen hätte, verrät Jeje, dass sie sich eine externe Ansprechperson gewünscht hätte. Jemanden, der ihr gesagt hätte, was ihre Rechte und Pflichten in Deutschland als Arbeitnehmerin sind.
„Das Thema Arbeit, warum Arbeit so wichtig ist und welche Rechte man als Arbeitnehmer hat, das ist einfach so eine Randnotiz“, sagt Expertin Habermann, die Menschen regelmäßig in Integrationsprozessen unterstützt und begleitet. Sie führt weiter aus: „Diese Leute müssen endlich in Arbeit integriert werden, nicht wie aktuell nur in unser Sozialsystem und in unsere Behörden.“ Menschen aus der Ukraine seien mit der rückständigen Technik überfordert und die Flüchtlinge aus Drittstaaten mit der Menge an Bürokratie.
Stefanie Heckel, Pressesprecherin der DEHOGA bezieht schriftlich dazu Stellung: „Bürokratische Hürden bei der Arbeitsaufnahme, aber vor allem Fehlanreize für Sozialleistungen statt Erwerbsarbeit verhindern Einstieg und Verbleib in Arbeit. Das ist fatal. Wer in Deutschland ist, sollte möglichst schnell arbeiten, Spracherwerb kann auch parallel erfolgen und in vielen unserer Teams funktioniert das auch gut.“
Auch Habermann führt die fehlenden Sprachkurse an, aktuell gebe es eine Warteliste von ungefähr einem Jahr. Und sie appelliert deutlich an Arbeitgeber, dass die Menschen, die hier arbeiten wollen und gebraucht werden, Unterstützung brauchen. Sprachkurse könne man nebenbei und innerbetrieblich anbieten, sagt sie, und Praktika seien ein erster Schritt zur Arbeitsmarktintegration von Migranten.
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