"Ströme von Blut und Ströme von Geld" - Der Völkermord an den Herero und Nama
Im Januar 1904 erhebt sich im heutigen Namibia die Volksgruppe der Herero gegen die Kolonialmacht Deutschland, im Juli 1904 die der Nama. Nach einer vernichtenden Niederlage in der Schlacht am Waterberg im August 1904 flüchten die Herero in die Omahekewüste. Der Widerstand der Nama kommt im März 1907 zum Erliegen. Was folgt, ist der aus Sicht vieler Historiker erste Genozid des 20. Jahrhunderts. 1911 sind schätzungsweise 60.000 der ursprünglich 80.000 Herero tot. Von den Nama wird rund die Hälfte der ursprünglich 20.000 Stammesangehörigen nicht überleben.
Bei diesen Zahlen handelt es sich allerdings nur um grobe Schätzungen. Historiker streiten bis heute über die genaue Anzahl der Toten, da es zu diesem Zeitpunkt noch keine exakten Statistiken zur einheimischen Bevölkerung gab, lediglich Schätzungen von Missionaren im Land. Einige Forscher gehen von deutlich höheren Zahlen aus. Auch können die Schätzungen aus deutschen Quellen, wie zum Beispiel den Aufzeichnungen des Reichskolonialamtes, als eher konservativ betrachtet werden. Ein britisches Regierungsdossier von 1918 geht von rund 65.000 toten Hereros und etwa 10.000 Opfern unter den Nama aus. Unter den Damara, einer Volksgruppe, die den Herero und Nama Untertan war und für diese häufig Arbeiter oder Soldaten stellte, forderte der Genozid rund 12.000 bis 18.000 Tote. Eine sichere Quellenlage ist lediglich zu den Verlusten auf der deutschen Seite gegeben. Hier starben im Rahmen des Konflikts rund 1.400 Soldaten und Zivilisten.
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Aber weshalb erhoben sich die Einheimischen gegen die deutschen Kolonialherren? Hierzu ist ein Blick in die Geschichte der Kolonie notwendig: 1884 annektiert das Deutsche Reich einen Großteil des heutigen Namibia. In der Hoffnung, bald in der „ersten Liga“ der europäischen Großmächte mitspielen zu können, treibt Kaiser Wilhelm II. die deutsche Expansion in Übersee voran. Das Land soll von deutschen Auswanderern besiedelt und die Ressourcen ausgebeutet werden.
Vor der Ankunft der Deutschen betrieben die einheimischen Volksgruppen größtenteils Viehzucht. Die Kolonialverwaltung Deutsch-Südwestafrikas schätzte, dass die Herero und Nama vor der Inbesitznahme ihres Landes durch das Deutsche Reich über rund 500.000 Rinder verfügten. Auch bei dieser Zahl jedoch sind sich Forscher bis heute uneinig. 1897 bricht eine verheerende Rinderpest im Land aus. Die deutschen Siedler können ihre Viehbestände dank Impfungen größtenteils vor der Krankheit schützen. Die Herero und Nama nicht. Es wird geschätzt, dass der Seuche bis 1902 rund 90 Prozent der Rinder der Einheimischen zum Opfer fallen, während sich die Rinderbestände der Deutschen schnell erholen und weiter wachsen. Durch den Verlust ihrer Lebensgrundlage sind viele Einheimische gezwungen, ihr Land an Deutsche zu verkaufen, falls es ihnen nicht einfach so genommen wird, und auf den deutschen Farmen als Lohnarbeiter ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Als sie von der deutschen Verwaltung und den Siedlern immer weiter aus ihren ursprünglichen Stammesgebieten zurückgedrängt werden, erheben sich die Herero und Nama gegen ihre Kolonialherren.
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Nach einigen Überfällen auf deutsche Farmen kommt es 1904 zu ersten Kämpfen mit den deutschen „Schutztruppen“. Aufgrund ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit fordert die deutsche Militärführung vor Ort Verstärkung aus dem Reich an. Ihre Stärke wächst von ursprünglich 770 Soldaten im Jahr 1903 auf rund 14.500 im Jahr 1907 an. Die deutschen Soldaten gehen mit einer selbst für die damaligen Kolonialkonflikte außergewöhnlichen Brutalität gegen die aufständischen Stämme vor.
Nach ihrer Niederlage am Waterberg flüchten die Herero in die Wüste. General von Trotha erlässt daraufhin einen Vernichtungsbefehl gegen die Stammesmitglieder der Herero. Laut diesem Befehl war das „Schießen auf Weiber und Kinder so zu verstehen (…), dass über sie hinweggeschossen wird, um sie zum Laufen zu zwingen. Ich nehme mit Bestimmtheit an, dass dieser Erlass dazu führen wird, keine männlichen Gefangenen zu machen, aber nicht zu Grausamkeit gegen Weiber und Kinder auszuarten. Diese werden schon fortlaufen, wenn zweimal über sie hinweggeschossen wird. Die Truppe wird sich des guten Rufes des Deutschen Soldaten bewusst bleiben.“
Daraufhin besetzten deutsche Soldaten die wenigen Wasserlöcher am Rand der Wüste. Frauen und Kinder, die mit ausgetrockneten Kehlen diese aufsuchten, wurden zurück in die Wüste gejagt, um dort zu verdursten. Männer wurden sofort erschossen. Nach Schätzungen des Whittaker-Reports der Vereinten Nationen von 1985 starben rund 80 Prozent der gesamten Bevölkerungsgruppe der Herero.
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Der Widerstand der Nama geht noch drei Jahre weiter, beschränkt sich aber auf gelegentliche Überfälle auf deutsche Farmen und Karawanen. Im April 1905 folgt ein weiterer Vernichtungsbefehl. Viele Nama werden gefangen genommen und in einem Konzentrationslager auf der Haifischinsel an der Südküste des Landes interniert. Aufgrund der widrigen klimatischen Bedingungen, Unterernährung und Seuchen überleben nur wenige von ihnen. Rund 1.500 Nama sollen das Lager nicht mehr verlassen haben. Insgesamt schätzt der Whittaker-Report, dass rund die Hälfte der ursprünglich 20.000 Angehörigen der Volksgruppe der Nama getötet wurde. Der Aufstand wird von der deutschen Kolonialverwaltung am 31. März 1907 für beendet erklärt.
Der Krieg hat das Deutsche Reich rund 585 Millionen Reichsmark gekostet. Zum Vergleich: Die Einnahmen aus der Kolonie betrugen im Jahr 1912 rund 24,2 Millionen Reichsmark. Wie Lothar von Trotha 1904 ankündigte, hat er die Einheimischen in Strömen von Blut und Geld vernichtet.
1995 besuchte Bundeskanzler Helmut Kohl als erster deutscher Kanzler seit 1904 Namibia. Ein Treffen mit Vertretern der Herero vermied er dabei. Noch 2012 wies die Bundesregierung den Vorwurf des Völkermordes von sich. Erst im Mai 2021 erkannte sie die Geschehnisse offiziell als Genozid an.
Es fanden Verhandlungen über Entschädigungen statt, die von Vertretern der Herero und Nama bereits seit Jahrzehnten gefordert wurden. Am Ende bat die deutsche Regierung eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1,1 Milliarden Euro verteilt über 30 Jahre an. Die namibische Regierung weist das Angebot zurück. Von vielen Herero und Nama wird es sogar als Beleidigung aufgefasst.
Der Afrikawissenschaftler Henning Melber setzt diesen Betrag in folgendes Verhältnis: „Das Humboldtforum wird im jährlichen Unterhalt höher bezuschusst als der Gesamtbetrag der 1,1 Milliarden Euro, die über 30 Jahre hinweg für die deutsch-namibische kulturelle Zusammenarbeit bereitgestellt werden sollen.“ Insbesondere das Humboldtforum steht schon seit Jahren in internationaler Kritik, wegen der dort ausgestellten kolonialen Raubkunst.
Persönliche Ansprüche der Nachfahren der Opfer des Völkermordes wurden im deutschen Angebot nicht berücksichtigt. Begründet wird dies von Seiten der Bundesregierung damit, dass Ansprüche auf Reparationen nur dann entstehen könnten, wenn die Bundesrepublik durch einen völkerrechtlichen Vertrag dazu verpflichtet sei. Da die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes erst 1948 in Kraft trat und nicht rückwirkend anwendbar sei, fehlt es laut Bundesregierung „an der Bindungswirkung, die zur Begründung eines Anspruchs auf Reparationen oder Schadensersatz erforderlich wäre.“
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Im Januar 2024 kritisierte der namibische Präsident Hage Geingob die deutsche Beziehung zu Israel. Deutschland unterstütze einen israelischen Völkermord an der Bevölkerung Gazas und habe nichts aus der Geschichte gelernt. Die Bundesregierung wies die namibischen Vorwürfe scharf zurück. Christian Wagner, Sprecher von Außenministerin Annalena Baerbock, sagte hierzu: „Wir benennen die Verbrechen an den Herero und Nama (…) als das, was sie sind: als Völkermord. Wir weisen die historische Gleichstellung des Holocausts mit den Vorgängen in Gaza zurück.“ Die Tatsache, dass Deutschland dennoch an der Seite Israels vor dem Internationalen Gerichtshof intervenieren möchte, rief in Namibia scharfe Reaktionen hervor. So befürchtet Melber in einem Interview mit Table.Media, dass der Vorfall die Bemühungen der letzten Jahre zwischen beiden Ländern zunichtegemacht hat.
Ob es in naher Zukunft zu einer endgültigen Aussöhnung zwischen Deutschland und Namibia kommen wird, ist fraglich. Die Verhandlungen zwischen beiden Regierungen laufen weiter.
Bildquellen:
Bild 1: Genozid-Denkmal vor der Alten Feste in Windhoek
Bild 2: Kommandeur der deutschen "Schutztruppen", Lothar von Trotha, ca. 1905
Bild 3: Ein deutscher Leutnant unter gefangenen Herero und Nama
Bild 4: Aufnahme aus dem Konzentrationslager auf der Haifischinsel
Bild 5: Deutscher Soldat mit gefangenen Herero
Bild 6: Angehörige der Herero in Ketten
Bild 7: Soldaten der "Schutztruppe" in Deutsch-Südwestafrika
Bild 8: Kamelreiter der deutschen "Schutztruppe"
Bild 9: deutscher Soldatenfriedhof am Waterberg
Bild 10: Karte Deutsch-Südwestafrikas von 1904
Bild 11: Afrikawissenschaftler Henning Melber
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