Die Kunst des Entblätterns
Aus Fotos, Shows und Schauspiel setzt sich das Repertoire von Melody D'Amour, einer Burlesque-Künstlerin aus dem bayrischen Kaufering zusammen. Ob als Model für Shootings, als Schauspielerin, oder als Tänzerin bietet Melody eine bunte und vielseitige Auswahl an Kostümen und Performances. Für sie ist Nacktheit kein Tabu. Vielmehr setzt sie es humoristisch und gezielt ein, um Geschichten zu erzählen und die Stärken der Weiblichkeit gekonnt in Szene zu setzen. Innerhalb der Burlesque-Community ist sie bekannt und hat auch darüber hinaus schon zahlreiche Auftritte bestritten.
Abseits der Bühne lebt Jenny die Kultur mit Leib und Seele. Über eine Tanzschule ist sie mit 18 Jahren auf die Kunstform aufmerksam geworden. Angefangen hat sie als Pin-Up-Girl für Tanz und Fotos. Seitdem sei dieser Teil ihres Lebens kaum noch wegzudenken. Mit Burlesque hat sie das Performen vor Publikum kennen und schätzen gelernt. "Der Applaus und die Reaktion des Publikums geben einem was zurück. Es ist wie eine Art Challenge, sie zum Staunen und zum Lachen zu bringen."
Burlesque findet seinen Ursprung bereits im 16. Jahrhundert in der italienischen Theater-Szene. Inhaltlich entwickeln sich die Züge der einfachen Komik im 19. Jahrhundert zu einer erotischen und teilweise kabarettistischen Bühnenshow. Tänzerisch, humorvoll und verführerisch bewegen sich die KünstlerInnen zur Musik, wobei das Storytelling eine bedeutsame Rolle einnimmt. Burlesque steht weiterhin für einen bestimmten Stil, der sich an Pin-Up-Girls, wie man sie aus den 50er Jahren in Amerika kennt, orientiert. "Im Vergleich zum Striptease bleibt das Bermudadreieck bedeckt und die Nippel werden mit sogenannten Pasties überklebt." Ziel beim Burlesque sei es vor allem, das Publikum zu unterhalten und mit einem Augenzwinkern in seinen Bann zu ziehen. "Um einen perfekten Körper geht es dabei nicht."
"Die Kunst des Entblätterns", nennt es Melody. In ihrer Performance „Wilma“ erzählt sie die Geschichte, wie Wilma Feuerstein heutzutage längst nicht mehr dem Rollencharakter der Frau in der Steinzeit Stand hält. Kurzerhand wechselt sie das weiße Kleid zu einem sexy Bikini. Mit weiblicher Stärke und einer ordentlichen Portion Eigenständigkeit lässt sie ihre Kunstfigur darin Feuer machen, während sie sich dabei unterhaltsam entkleidet. "Wir gehen spielerisch damit um."
Die Mimik spielt eine große Rolle in der Burlesque-Kultur. In ihrer Performance "Somewhere over the rainbow" träumt Melody von einer paradiesartigen Welt, in die sie ihre Rolle mit der Vorstellung von bunten Farben, Frieden und Freude versetzt. Ausdruck verleiht sie ihren Acts jedoch nicht nur mit ihren Emotionen, auch die Kostüme in bunten, strahlenden Farben haben bei ihr einen hohen Stellenwert. Die Meisten davon schneidert sie selbst.
Für Federn, Stoffe, Kleider, Kopfbedeckungen und unzählige Kostüme hat Jenny zu Hause ein eigenes Zimmer. Das Material, aber auch ihre Ideen für die Performances, bewahrt sie dort auf. Mit Liebe zum Detail verbringt sie dort oft Stunden beim Entwerfen und Herstellen der Kostüme. "Manchmal habe ich erst das Outfit, manchmal die Musik und manchmal auch erst die Tanzschritte im Kopf." Die Inspiration findet sie auf verschiedene Art und Weise.
Doch sie tritt nicht nur selbst auf, sondern plant und organisiert auch Burlesqueshows gemeinsam mit anderen KünstlerInnen. Vor jeder Show steht ein Technik- und Ablaufcheck an. Von Absprachen mit Technikern, der Location und dem DJ, bis hin zur Generalprobe kümmert sie sich darum, dass nichts mehr schiefgehen kann. Ihr größtes Event als Producerin ist das dreitägige „Bavarian Burlesque Festival“, das einmal im Jahr in München stattfindet und sich aus Auftritten von KünstlerInnen aus aller Welt zusammensetzt.
Stilvolles Styling ist ein weiteres Merkmal der Burlesque. Zwischen Make-Up und Nervosität trägt Jenny dabei am liebsten ihren Ganzkörper-Kuschelanzug. Zum einen, weil er bequem sei, zum anderen damit sie "keine Abdrücke der Kleidung auf der Haut" hat.
Der kleine Backstage-Bereich der Kemptener Kulturwirtschaft platzt aus allen Nähten. Acht KünstlerInnen bereiten sich dort gleichzeitig auf Ihre Auftritte vor. Ein gutes Miteinander habe unter den KünstlerInnen einen hohen Stellenwert. "Die Individualität der einzelnen Personen ist uns wichtig. Wir sind alle viel unterwegs und haben natürlich auch eine körperliche Belastung. Aber beim Burlesque steht gegenseitiger Respekt an oberster Stelle."
Während der Show lässt sich Melody jedoch nichts von dem Stress und dem Aufwand für die Performance anmerken. Mit selbstbewusster Eleganz posiert sie freizügig vor dem 75-köpfigen Publikum. Ursprünglich bot Burlesque denjenigen eine Bühne, deren Nacktheit als Tabuthema galt. Es gab ihnen die Möglichkeit, voller Stolz ihre Körper zu präsentieren. Diese Prägung verleiht KünstlerInnen wie Melody D‘Amour heute noch die nötige Selbstliebe und Akzeptanz, für die die Burlesque maßgeblich steht. Tabuthemen gibt es dabei nicht, ganz im Gegenteil. Es kann dazu genutzt werden, auf Tabuthemen aufmerksam zu machen.
Der Vorhang fällt, die Show ist vorbei. Melody und ihre KollegInnen verbeugen sich. Doch an eine Aftershowparty ist nicht zu denken. Am nächsten Tag steht ein weiterer Auftritt an, für den noch das Kostüm, das Make-Up und der Ablauf vorbereitet werden muss. Trotz des Aufwands ist Jenny glücklich, Melody D‘Amour sein zu können. Vor allem aber ist sie stolz, einer Leidenschaft nachzugehen, bei der respektvoll miteinander umgegangen wird und in der sie sie selbst sein kann. Sie ist eine Frau, die nicht nur nackte Haut zeigt, sondern auch die Stärke der Weiblichkeit verkörpert.
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