Digitaler Unterricht: "Vieles ist anders möglich"
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Gerlinde Merkl ist genervt. Seit einem halben Jahr sieht die Lehrerin anstelle von grübelnden Gesichtern nur graue Felder in den Videokonferenzen. Der Wechsel vom Präsenz- in den sogenannten Distanzunterricht ist für die Gymnasial-Lehrerin aus Landau an der Isar mit vielen Herausforderungen verbunden. „Vor allem in Mathematik kann ich nicht wochenlang den Kindern irgendwelche Aufgaben und Arbeitsanweisungen geben, ohne irgendetwas zu erklären. Das ist das Wesentliche”, sagt Merkl.
Doch das ist nur eine der neuen Herausforderungen, der sich die Lehrkräfte dieser Tage stellen müssen. Für die Kinder muss der Stoff greifbar sein, verständlich. Digital scheint aber genau das für die Lehrkräfte nur schwer umsetzbar zu sein. Auch Vorlesetage, die sonst in der Schulbücherei stattfanden, zeichnet das Gymnasium in Landau inzwischen als Podcast auf. Gottesdienste, die normalerweise elementarer Bestandteil der Schulgemeinschaft sind, können nicht mehr stattfinden. Sie werden jetzt aus dem Musiksaal über das Internet gestreamt. Und trotz aller Widrigkeiten, ist es doch besser als nichts.
Seit dem Anfang der Corona-Pandemie findet das Schulleben fast überall digital statt. Aber was ist mit Kindern, die kein elektronisches Endgerät besitzen, weil sie aus Familien kommen, die sich dieses schlichtweg nicht leisten können? Eine Lösung hierfür bieten verschiedene Fördervereine. Aber auch die Landkreise stellen für finanziell benachteiligte Kinder, Leihgeräte für den digitalen Unterricht zur Verfügung. Zudem plant das Kultusministerium zusätzliche Förderangebote, um coronabedingte Wissenslücken zu schließen. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband fordert weitere Maßnahmen zur Förderung von qualitativ hochwertigem Lehrpersonal, wie es in einer Pressemitteilung heißt.
Doch die moderne Technik sorgt nicht zwangsläufig für einen fehlerfreien Digitalunterricht. Es gibt auch hier Schwierigkeiten, insbesondere instabile Internetverbindungen. „In manchen Konferenzen schreibt mir ein Schüler oder eine Schülerin, dass sie mal wieder rausgeflogen sind“, sagt Merkl, die selbst manchmal mit technischen Problemen zu kämpfen hat. „Bei mir ist auch schon mal der Computer abgestürzt, weil er überlastet war.“
Viele Lehrkräfte klagen zudem über den schlechten Zugang zu den Schülern. Kinder, die in Präsenz im Klassenzimmer sitzen, zeigen den Lehrenden durch Mimik, was sie verstanden haben und was nicht. Doch durch die Distanz können die Lehrkräfte oft nur schwer erkennen, ob die Schulkinder dem Unterricht wirklich folgen und aktiv daran teilnehmen. Merkl fehlt das gemeinsame Lachen im Klassenverband, das Spielen der Schülerinnen und Schüler auf dem Schulhof. Und auch die Interaktion der Kinder untereinander fehlt. „Die digitalen Medien sind auch nur ein Hilfsmittel. Ich finde nach wie vor, dass der Lehrer-Schüler-Kontakt im Unterricht das Wichtigste ist.“
Kritik kommt auch von Orcun Celic, dem stellvertretenden Landesschülersprecher der Realschulen in Bayern. Er kritisiert die bisherigen von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen. Besonders prekär sieht er die pandemiebedingten Lernrückstände, aber auch das Aufkeimen von psychosozialen Belastungen bei Schülern im Zuge der Lockdowns. „Es ist zutiefst bedauernswert, dass immer mehr Schüler und Schülerinnen keine Möglichkeit haben, effektiv schulische Lücken zu schließen, den Anschluss verlieren und bei psychischen Krisen wochenlang auf einen Termin beim Schulpsychologen warten müssen“, so Orcun. Seiner Meinung nach brauche es dringend Angebote in der Praxis, um der Schülerschaft in persönlichen und schulischen Notlagen Unterstützung geben zu können.
Trotz der drastischen Veränderungen und der Schwierigkeiten, die sich durch diese neue und außergewöhnliche Situation ergeben, habe die Krise jedoch auch positive Nebeneffekte mit sich gebracht. „Was wir auch gelernt haben: Vieles ist auch anders möglich. Man muss nur kreativ sein.“, sagt Regina Houben, Direktorin der Jakob-Sandtner-Realschule in Straubing. Sie ist vom Können der Schüler begeistert. Viele Kinder sind durch die neue Situation fit wie nie zuvor im Umgang mit digitalen Medien. „Ich habe von Sechstklässlern Erklärvideos erstellen lassen. Und das haben sie fantastisch bewältigt“, lobt Houben die Arbeit ihrer Schülerschaft. So würden die Kinder nicht nur vertonte PowerPoint-Präsentationen anlegen, sondern auch schon ganze Videos kreieren, die sie mit Musik unterlegen. Auch seien manche Kinder, die im Klassenverband bisher relativ still waren, plötzlich aktiver geworden, so Houben.
Ob es nun an der gewonnenen Reife der Kinder liege, oder daran, dass geteilte Klassen den Kindern gut tun, lässt die Lehrerin offen. „Ein sehr schöner Nebeneffekt dieses Distanzunterrichtes ist, dass wir sehr viel individuellen Kontakt mit unseren Schülerinnen und Schülern haben“, sagt Houben. Es falle auf, dass die momentane Distanz über die digitalen Medien dafür sorge, „dass ich viel öfter ein individuelles Feedback geben kann“, so die Schuldirektorin. „Ich kann mit der Schülerin oder dem Schüler mehr kommunizieren als im Klassenverband mit 26 Kindern.“ Sogar der Kontakt mit den Eltern wäre durch die Digitalisierung inzwischen einfacher.
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