Ehrenamt unter Extremsituationen
Zahlreiche Menschen mit leeren Einkaufstaschen reihen sich nacheinander in eine lange Schlange vor der Großmarkthalle in München. Trotz drückender 26 Grad hält sich jeder von ihnen an die Maskenplicht – und an die grünen Markierungen auf dem Boden, die für die Einhaltung der Sicherheitsabstände sorgen sollen. Pro Woche versorgt die Tafel München bis zu 20.000 bedürftige Menschen. So auch an diesem Samstag.
„Die Ausgabestelle hier geht sehr sorgsam mit den Maßnahmen um“, sagt der aus Afghanistan stammende Arif Abdulkh Haidary. Zusammen mit seinem Bruder floh er vor einigen Jahren aus dem kriegsgebeutelten Land. Seit zwei Jahren gehen sie gemeinsam zur Münchner Tafel. Auf das Thema Corona und den damit verbundenen Schwierigkeiten der Hygieneregeln reagieren beide entspannt. „Mit den Masken, dem 2-Meter-Abstand und den Handschuhen fühlt man sich sicher“, sagt Haidary gelassen. Dann geht es weiter in der Schlange, Schritt für Schritt, Markierung für Markierung.
Über lange Tische reicht der Student Merlin Tüten voller Lebensmittel. Der 27-jährige Münchner arbeitet seit kurzem als Ehrenamtlicher bei der Tafel und ist damit einer von 650 Mitarbeitern. Er sei aus Eigeninitiative und dem Willen Menschen zu helfen, dem Aufruf der Tafel gefolgt.
Sein Kollege, der 57-jährige Frank Daschner, baut bei der Münchener Tafel seine Sozialstunden ab. Den Aspekt des sozialen Kontaktes zu anderen Menschen hält er für außerordentlich wichtig. Auch deshalb bereite ihm die Arbeit an der Tafel viel Freude. „Der Kontakt mit den Menschen gefällt mir am besten, da ich gern auf Menschen zugehe und die Arbeit mir ein positives Gefühl gibt“, so Daschner.
„Wir haben viele ältere Menschen, vor allem Rentner, die hier ehrenamtlich helfen“, sagt Steffen Horak, Pressesprecher der Tafel München. Doch aus Bedenken um die eigene Gesundheit hätten sich viele seiner Mitarbeiter zurückgenommen und vorerst ihre Arbeit bei der Tafel pausiert. Vor wenigen Wochen hätte man dann einen Aufruf gestartet, bei dem man sich freiwillig melden konnte, um die Tafel zu unterstützen. „Es haben sich sehr viele Bürger gemeldet“, erzählt Horak glücklich.
Trotzdem sei an der Münchner Tafel inzwischen vieles anders. „Es ist durch die Abstandsregeln sehr unpersönlich geworden, besonders durch die Isolierung“, sagt Horak. Da jetzt viele neue junge Leute hier arbeiten, muss man sich erst wieder das Vertrauen aufbauen“, so der Pressesprecher.
Wegen der Pandemie mussten in den letzten Monaten fast alle 27 Versteilstellen in München geschlossen werden. Die Großmarkthalle wurde dadurch zur Hauptanlaufstelle für bedürftige Menschen. Von den berüchtigten Hamsterkäufen, die in vielen Supermärkten für leere Regale sorgten, hätte die Tafel, die einen Großteil ihrer Spenden von dort bezieht, kaum etwas gespürt. Viele lokale Restaurants hätten durch die fehlende Kundschaft zahlreiche Lebensmittel gespendet, wodurch man von den leicht dezimierten Spenden der Supermärkte kaum etwas gemerkt habe. Trotz Pandemie, Krise und Maßnahme-Paketen, kann Horak auch deshalb optimistisch in die Zukunft blicken. „Es haben sich die Münchener sehr solidarisch gezeigt, sogar von einigen Firmen haben wir Spenden erhalten.“
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