Gesellschaft

Elektromobilität – Bitte warten.

Oliver Keller
Christoph Koeck
Moritz Krämer
Lesezeit 10 Minuten
Elektroauto lädt an einer Ladesäule
Elektroauto lädt an einer Ladesäule.
Credit: Christoph Koeck
Wie lange warte ich an der Ladesäule, bis ich mit meinem Fahrzeug in den geplanten Familienurlaub starten kann? Gibt es genug Ladesäulen für alle? Ist München gerüstet für eine Umstellung auf elektrisches Fahren? Diese Fragen beantworten wir euch in desem Artikel.
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Ein Elektroauto gilt als grüne Neuanschaffung im Personenverkehr. Durch Verbrenner gelangen Treibhausgase in die Atmosphäre und tragen dadurch zum Klimawandel bei. Das  Elektroauto soll die CO2-Entstehung im Privatbereich senken. Die begrenzte Reichweite und das lange Laden der Fahrzeuge hält jedoch noch viele Menschen von einer Anschaffung eines solchen PKWs ab. Gerade junge Menschen sind sich unsicher, wie die Zukunft mittelfristig aussehen wird. Was ist nun, wenn die Regierung ihre Pläne durchsetzt, in Zukunft nur noch Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen zuzulassen? Ist die Infrastruktur in München für eine Umstellung auf elektrisches Fahren gerüstet?

Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung sieht vor, dass ab dem Jahr 2030 jedes dritte Auto auf Deutschlands Straßen elektrisch sein soll. Das Laden von Elektrofahrzeugen dauert wesentlich länger als das Tanken eines Verbrenners. Sollten sich die Pläne realisieren, kann beim Verbraucher schnell der Gedanke aufkommen, dass es nicht genügend Ladepunkte gibt, um alle PKWs zu laden.

 

Die Stadt München hat 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Bis 2035 möchte die Stadt klimaneutral werden. Wie fit sind München und die anschließenden Landkreise im Bereich Elektromobilität? Dies wollen wir mithilfe eines Gedankenspiels durchleuchten. Um einen einfachen Vergleich darzustellen, gehen wir davon aus, dass jedes gemeldete Fahrzeug im Münchner Umland exakt 100 Kilometer Reichweite tanken oder laden möchte.

Wenn alle Verbrenner in den Landkreisen Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, Starnberg, München und Stadt München für exakt diese Reichweite tanken, würde die reine Fließzeit des Treibstoffes insgesamt ca. 3.540 Stunden betragen. Hierbei berücksichtigen wir die reine Tankzeit, ohne Aussteigen, Bezahlen oder das Warten auf eine freie Zapfsäule. Der Durchschnitt pro Fahrzeug beträgt 8,12 Sekunden. Wenn alle registrierten Tankstellen und deren Zapfpunkte in den Landkreisen voll genutzt werden, benötigt dieses Vorhaben mindestens 62 Minuten. Im Vergleich: Wenn wiederum jeder Ladepunkt in München dauerhaft ausgelastet ist, benötigt das Laden der bereits reell gemeldeten Elektrofahrzeuge ca. 520 Minuten, also 8,6 Stunden.

 

 

Wir führen die Rechnung mit der Annahme fort, dass alle Fahrzeuge im Münchner Umland reine Elektrofahrzeuge sind: In diesem Fall würde bei der bestehenden Anzahl an Ladesäulen der Ladevorgang für eine Reichweite von 100 Kilometern 460 Stunden dauern. 

Wenn Autofahrer:innen nun nach der Umstellung auf rein elektrisch betriebene Fahrzeuge einen vergleichbaren Lade-Komfort genießen möchten, wie sie es noch vom Verbrenner gewöhnt sind, so müssten im Münchner Umland mehr als eine halbe Million funktionsfähige Ladepunkte installiert sein, um ihnen diesen Luxus zu ermöglichen. Berücksichtigt man nun, dass hier aktuell gerade einmal 1.268 Ladesäulen in Betrieb sind, so können wir davon ausgehen, dass ein Ausbau mit rein öffentlichen Mitteln äußerst unrealistisch ist.

 

Müssen sich die Münchner nun Sorgen um Ihre zukünftige Mobilität machen? Das Energieversorgungsunternehmen EnBW (Energie Baden-Württemberg) sagt hierzu klar: Nein. Nach dessen Vision wird es das klassische System der separaten Stopps nur noch für den individuellen Fernverkehr geben. Stattdessen soll der Ladevorgang in den Alltag der Fahrer integriert werden. Geladen wird dort, wo die Autos sowieso stehen. So findet das Laden hauptsächlich über Nacht am privaten Grundstück, oder tagsüber am Arbeitsplatz statt. 

Neben diesen Optionen soll weitere Ladeinfrastruktur an Sehenswürdigkeiten, Einkaufsmöglichkeiten oder öffentlichen Parkplätzen entstehen. Der Großteil des Aufbaus sowie die finanzielle Belastung, wird somit in die Hände Privater (wie z.B. nicht-staatliche Unternehmen oder Haushalte) gelegt. Interessant wird hierbei die Frage sein, wie der Staat die Bürger:innen entlasten oder unterstützen wird. Konkrete Äußerungen der Bundes- oder Landesregierung gibt es hierzu noch nicht. 

Die Entwicklung der Ladeinfrastruktur an deutschen Autobahnen ist darüberhinaus problematisch. In Deutschland gehören ca. 90% der bewirtschafteten Raststätten der Rast GmbH. Die belebten Raststätten haben ein Exklusivrecht auf den Lebensmittelverkauf an den Autobahnen und verhindern damit den Aufbau von bewirtschafteten Elektro-Raststätten. Hierfür gelten die Rahmenbedingungen, die der Bund den Raststätten vertraglich zugesichert hat. Eine Elektro-Raststätte ist somit vorerst nur als einsamer Punkt im Autobahnnetz denkbar und damit für die Verbraucher:innen eher unattraktiv.

 

Die Akkukapazität, der zweite für die Reichweite wichtige Faktor, wird immer größer. Auch in Zukunft könne diese enorm gesteigert werden. „Konnten die Fahrzeuge bis vor einigen Jahren in der Regel mit maximal 50 kW laden, steigt seit 2019 die Zahl der Fahrzeugmodelle mit einer Ladeleistung ab 100 kW zunehmend an und wir sehen eine Entwicklung hin zu 150 kW”, so Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft).

 

 

Das Mobilitätsreferat München sagt hierzu, dass die öffentliche Hand langfristig einen kleinen Teil der Ladeinfrastruktur übernehmen wird. Hier deckt sich die Aussage mit EnBW. Der bedeutende Teil der Ladepunkte wird auf Privatgrund zu errichten sein. So setzt das Referat auch auf die Beteiligung von Privatpersonen und Unternehmen im Aufbau und Betrieb der zukünftigen Ladeinfrastruktur.

Des Weiteren plant die Stadt München, Vorreiterin im Verzicht auf fossile Brennstoffe zu werden. Bestehende Bedürfnisse sollen durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Den durch die E-Mobilität steigenden Strombedarf möchte die Stadt durch einen jährlichen Zubau an Photovoltaik-Anlagen gewährleisten. So sollen pro Jahr im Stadtgebiet zusätzlich ca. 13 MWp (MegaWatt-Peak) an Anlagen ausgebaut werden. Das würde eine zusätzliche Stromerzeugung von ca. 13.000 kWh pro Jahr bedeuten. Der erzeugte Strom wiederum kann für das Laden von Elektrofahrzeugen oder öffentlichen Verkehrsmitteln genutzt werden.

Dieses kleine Gedankenspiel zeigt, dass bereits Vieles im Bereich der E-Mobilität geschehen ist und noch geschehen soll. Um Verberenner durch E-Fahrzeuge zu ersetzen, bedarf es noch einiger Arbeit seitens der Regierung, der Konsument:innen und der Energieversorger. Die Stadt München ist auf dem richtigen Weg, den benötigten Strom für die zu errichtende Infrastruktur zu erzeugen und bereitzustellen. Auch der Familienurlaub ist beim aktuellen Stand der gemeldeten Fahrzeuge nicht in Gefahr. Das Schnelladen (10% - 80%) benötigt nur einen Bruchteil der Zeit, die für eine vollständige Ladung aufgebracht werden muss.

Das Thema ist auch für Behörden mit eigenem Großfuhrpark interessant – beispielsweise für die Bundeswehr. Die klassischen Pritschenwagen oder Neunsitzer, werden im Bundeswehralltag häufig für Ultrakurz-Strecken wie den Material- oder Personentransport innerhalb der Liegenschaft genutzt. Diese Fahrzeuge könnten durchaus durch E-Fahrzeuge sinnvoll ersetzt werden. Wobei hier auch ein Ausbau der Infrastruktur in den Kasernen nötig ist. Das Thema Elektroauto bleibt weiterhin ein spannendes und vielschichtiges Thema.

In der Zeit, in der ihr diesen Artikel gelesen habt, hat ein Tesla Modell S circa 106 Kilometer Reichweite geladen.

Interessierte finden über diesen Link eine Erläuterung zur Rechnung und unserer Herangehensweise.

Ein Artikel von

Oliver Keller
Christoph Koeck
Moritz Krämer