Wenn die Zeit zu Ende geht
Daniel Follner ist täglich mit dem Tod konfrontiert. Als Fachkraft in einem Bestattungsunternehmen. Für den 30-Jährigen ist seine Arbeit etwas ganz Besonderes: "Einen anderen Beruf kann ich mir mittlerweile nicht mehr vorstellen."
Der abschließende Moment soll eine Atmosphäre der Würde und des Respekts bedeuten. Der Abschied soll am Ende der Zeit zu einem bewegenden und persönlichen Erlebnis werden. Porträt eines Bestatters.
Daniel Follner arbeitet seit mittlerweile zehn Jahren als Bestattungsfachkraft. Für eine anstehende Beerdigung holt er mit einer Schubkarre Material zum Öffnen eines Grabes.
Vor Ort am Friedhof sucht Follner mit einem Übersichtsplan die richtige Grabstelle. An diesem Ort bereitet er anschließend das Grab für die Beisetzung vor. Statistisch besteht ein Grab in Deutschland zehn bis 25 Jahre. Meistens wird ein Grab nach dieser Zeit wieder freigegeben.
Mit einem Handbagger hebt Follner in der Erde ein passgenaues Urnenerdgrab aus. Dafür benötigt es Muskelkraft, denn die Arbeit ist körperlich fordernd. Laut der rechtlichen Vorgabe des Bestattungsgesetzes muss 80 Zentimeter tief gegraben werden, um die Urne später in der Erde beizusetzen.
Auf dem Friedhof in Prien am Chiemsee, einem Ort, der im Laufe der Zeit schon viele Abschiede gesehen hat, gibt es nicht nur Erdbestattungen, sondern auch Urnenbestattungen. In Anbetracht der Zeit nach dem Leben bietet der Friedhof verschiedene Möglichkeiten, den individuellen Wünschen und Vorstellungen gerecht zu werden. Die Urnengräber können sich, ähnlich zur klassischen Bestattung, in der Erde befinden oder in sogenannten Urnenwänden, auch Nische genannt. Die Nischen werden nach der Beisetzung mit einer Steintafel verschlossen.
Follner hat das Grab vorbereitet. Nun können seine Kollegen am nächsten Tag die Beisetzung durchführen. Abschließend bedeckt Follner das Grab noch mit einer Platte aus Holz, um zu verhindern, dass es zu Unfällen kommt. „Damit werden auch Stolperfallen auf dem Friedhof vermieden“, sagt er.
Neben den Tätgkeiten am Friedhof finden auch viele Aufgaben in der Hauptzentrale des Bestattungsunternehmens statt. Zum Beispiel die Umlagerung eines Verstorbenen. Dafür nutzen die Mitarbeitenden einen Aufzug, um den Sarg aus dem Keller in das Erdgeschoss zu transportieren.
Daniel Follner und sein Kollege Mischelle Gmünd heben den Leichnam aus einem Leih-Sarg und legen ihn in den passenden für die Bestattung. Leih-Särge dienen dazu, die verstorbene Person vorübergehend in den Kühlkammern des Bestattungsunternehmens zu lagern, bis der richtige Sarg von den Hinterbliebenen ausgewählt wurde. Die Ausstattung des Sarges wählen die Angehörigen meist selbst aus.
Der sprichwörtlich oft verwendete Sargnagel ist mittlerweile eine Schraube. Diese ermöglicht und erleichtert ein späteres Öffnen des Sarges. Vorher bohrt Follner mit einem Akkuschrauber ein Loch vor. „Hin und wieder müssen wir bei der Vorbereitung eines Verstorbenen noch an den Leichnam kommen“, erklärt Follner.
Bis zum Weitertransport in das Krematorium verbleibt der Sarg in der Kühlkammer im Keller des Bestattungsunternehmens. Der Leichnam wird nach der Verbrennung, bei einer Feuerbestattung, in einer Urne zurück an das Unternehmen geliefert und bis zur Beisetzung in einem Safe aufbewahrt.
Kollege Gmünd unterstützt nicht nur vor Ort am Friedhof, sondern auch bei der Vorbereitung des Beisetzungsmaterials. Zum Verladen der Ausstattung für die Beisetzung gehört auch das Auffüllen der Weihwasserkanister.
„Fingerspitzengefühl, Empathie und Sympathie, das ist wichtig“, sagt Follner über seine Arbeit auf dem Weg zum Grab. Er tritt während der Vorbereitung der Aufbahrung auch in die Sicht der Trauernden. Dabei kontrolliert er noch einmal den Aufbau und überprüft das aufgestellte Material. Er weiß, wie wichtig dieser Moment für die Hinterbliebenen sein kann.
Die Aufbahrung ist vorbereitet. Die Fotodokumentation gehört heutzutage zum Bestattungswesen dazu. In einer eigens entwickelten App hinterlegt Follner die Fotos der Aufbahrung. Die App dient aber nicht nur als Fotospeicher. Darin schreibt die Disposition sämtliche Anforderungen für eine Beisetzung. Sie dient den Bestattern vor Ort als Information und Prüfliste bei ihrer Arbeit.
Damit die Blumenblätter – auch Dekoblumen genannt – vom Wind nicht weggeweht werden, beträufelt sie Follner mit Wasser.
Nicht immer befinden sich unter den Trauernden die Nachkommen der Verstorbenen. Das Grab für die Urnenbeisetzung ist vorbereitet. Für die Beerdigung zieht sich Follner um und bereitet sich auf den Empfang der Trauergemeinde vor.
Gemeinsam versammeln sich die Trauernden am Ort der Aufbahrung. Auch Follner weiß, dass es ein Ort ist, der nicht nur den physischen Abschied markiert, sondern auch Raum für Erinnerungen, Reflexionen und kollektives Gedenken schafft.
„Ich habe ein offenes Herz für alle Friedhofsbesucher“, sagt Follner. An diesem Tag spazieren viele Besucher über den Friedhof in Prien. Wenn es passe, so Follner, sei er auch immer für ein kurzes Gespräch für die Trauernden da. Er wisse nicht, ob sie nur den Verstorbenen gedenken oder ob sie auch über das Ende ihrer eigenen Zeit nachdenken. Der Friedhof in Prien sei für ihn „irgendwie auch ein lebendiger Ort“, sagt Follner. Wie ein Spiegel, in dem das Leben in all seinen Facetten reflektiert wird.
"Wer an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit." Am Friedhof in Prien wird diese Inschrift unterhalb des Kirchenturms durch das Gedenken der Besucher an ihre Verstorbenen lebendig, die Bestatter tragen durch ihre Arbeit zum würdevollen Erinnern bei.
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