Sind Hochhäuser umweltverträglich?
In München gibt es in verschiedenen Stadtteilen Hochhäuser, bisher galt jedoch die Frauenkirche mit knapp 100 Metern als beschränkende Höhe. Nun sind 155 Meter hohe Wolkenkratzer in Laim geplant.
Valentin Hartmann
Wo wenig Platz ist und viele leben, wird in die Höhe gebaut. Das erste Hochhaus ist im Jahr 1885 in Chicago entstanden. Das „Home Insurance Building“ war gerade einmal 42 Meter hoch, kein Vergleich zu seinen heutigen Verwandten, die sich mit bis zu 828 Metern Höhe „Wolkenkratzer“ nennen. Von einem „Wolkenkratzer“ spricht man per Definition ab einer Höhe von 150 Metern. Auch in München soll es sie künftig geben. Auf dem alten Paketpostareal in Laim sollen zwei 155 Meter hohe Zwillingstürme entstehen.
1885: In Chicago entsteht das erste Hochhaus, das „Home Insurance Building“, es ist 42 Meter hoch.
Jason Woodhead, flickr
Wolkenkratzer haben ein kontroverses Image. Sie scheinen die Antwort auf alle Platzprobleme in urbanen Gebieten zu sein. Denn wer hoch baut, spart Grundfläche und schafft in luftiger Höhe neue Nutzfläche. Das macht sie aufgrund ihrer Grundflächen effizient, aber auch umweltverträglicher? „Gerade bei Hochhäusern ist es oft so, dass ungefähr ein Viertel der Fläche durch die Erschließung verloren geht. Das bedeutet, dass ich pro Etage weniger Nutzfläche habe, weil ich mehr Gebäudetechnik wie zum Beispiel Fahrstühle oder Belüftungsanlagen brauche“, berichtet Professor Frank Kasprusch.
„Das macht Hochhäuser aber nicht automatisch schlecht, man bekommt schließlich auch eine ganze Menge Menschen in ihnen unter“, betont der Diplom-Ingenieur. Der Institutsdirektor der Architektur an der Universität Kassel ist Experte auf dem Gebiet „Entwerfen und nachhaltiges Bauen“.
Professor Frank Kasprusch ist Institutsdirektor der Architektur an der Universität Kassel und verantwortet das Fachgebiet "Entwerfen und Nachhaltiges Bauen".
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Der Bausektor ist laut einem aktuellen Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) für 34 Prozent (2023) der Globalen Kohlenstoffdioxid-Emmisionen verantwortlich. Wie kommt es dazu? Warum ist Bauen so energieintenisv?
Neben der Bauart sind auch eingesetzte Materialien Schlüsselfaktoren, wenn es um Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit geht. Gängige Baustoffe im Hochhausbau sind Stahl, Beton, Glas und Aluminium, aber auch Holz wird immer wichtiger. Wie nachhaltig und umweltverträglich ein Baustoff ist, variiert stark. Einflussgrößen sind laut Kasprusch neben dem Energiebedarf bei der Gewinnung die Haltbarkeit so wie die Wiederverwendbarkeit. „Um einen Kubikmeter Holz aus dem Wald zu holen und als Bauholz aufzubereiten, beträgt der energetische Aufwand etwa sieben Kilowattstunden, bei einer Tonne Zement sind es 700 und bei Aluminium 70.000 Kilowattstunden,“ erklärt Kasprusch.
Das Burj Chalifa gilt mit 828 Metern als höchstes Haus auf dem Erdball, es steht in Dubai.
pixabay
Letztlich kommt es auch darauf an, wie die benötigte Energie selbst erzeugt wurde. Hochhäuser binden extreme Mengen an Material. Im Burj Chalifa, dem mit 828 Metern aktuell höchsten Hochhaus der Welt, sollen rund 300 000 Kubikmeter Beton verbaut worden sein, das entspricht etwa 440 000 Badewannen oder etwas mehr als 130 olympischen 50-Meter-Schwimmbecken. Beton besteht aus: Zement, Wasser, Kies sowie Sand und ist in seiner verarbeiteten Form äußerst langlebig. Die ältesten Gebäude der Welt wurden mit den Vorläufern des heutigen Betons gebaut. Trotz der hervorragenden Baueigenschaften steht Beton immer wieder in der Kritik, denn es ist eine Art Einwegprodukt. Kasprusch erklärt, anders als Stahl oder Aluminium lasse sich Beton nicht wieder einschmelzen und auch nur teilweise in seine Bestandteile zerlegen.
Ein abgerissenes Hochhaus: Wie geht man mit den Materialien um? Sind sie zu recyclen?
pixabaxy
Der Ingenieur betont, dass man die schlechten Recycling-Eigenschaften umgehen könne: Wieder verwertbare Betonfertigteile, wie sie im Plattenbau zum Einsatz kommen, seien eine ziemlich nachhaltige Sache. Hochhäuser ließen sich alternativ auch aus anderen Materialien fertigen, wie Stahl oder Holz. „Ich denke, dass das im Fall der geplanten Türme auf dem Paketpostareal automatisch Stahlbauten werden. Das hat schon was mit dieser Form zu tun.“
Stahl sei langlebig und leicht recycelbar, aber auch energieintensiv in der Herstellung. „Wenn ich Stahl mit Öl und Gas herstelle, hat die Tonne jedoch eine ganz schlechte CO2-Bilanz. Würde ich hingegen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zur Produktion nutzen, wäre die Tonne Stahl ein Traum, weil ich den Stahl zu 100 Prozent wieder einschmelzen kann. Besser als ein Baum, der mir verrottet“, sagt Kasprusch.
Hochhäuser können auch aus Holz gebaut sein. Auf dem Foto ein Holzstapel mit frisch geschlagenen Bäumen.
Valentin Hartmann
Hochhäuser in Holzbauweise wie das „Roots“ in Hamburg, das 2023 eröffnet wurde, sind in Deutschland bislang eine Seltenheit. Das liegt auch an den aufwändigen Genehmigungsverfahren, denn Baurecht ist Ländersache: „Die Hamburger haben für dieses Gebäude eine eigene Sonderbauverordnung geschaffen", erklärt Kasprusch. Gerade im Hochbau gelten verschärfte Brandschutzbestimmungen, die viele Prozesse deutlich komplexer und auch kostenintensiver machen, aber letztlich Leben retten sollen.
So dürfen tragende Konstruktionselemente nicht brennbar sein, besagt die „Richtlinie über die bauaufsichtliche Behandlung von Hochhäusern“ (HHR). Außerdem müssen sie auch bei extremer Hitze laut HHR eine in den Bauordnungen festgelegte Zeit standhalten, in Bayern sind das bei Hochhäusern über 60 Metern Höhe (wie in München geplant) 120 Minuten. Holzhochhäuser haben deshalb in der Regel einen Kern aus besonders widerstandsfähigem Stahl oder Stahlbeton. Andernfalls kann es im Brandfall zu einem kollektiven Materialversagen mit katastrophalen Folgen kommen.
Das Gelände des World Trade Center (Ground Zero) mit einer Überlagerung, die die ursprünglichen Standorte der Gebäude vor dem 9-11 Angriff zeigt.
United States National Institute for Standards and Technology
Der bekannteste Fall ist der Einsturz der beiden World Trade Center am 11. September 2001 in New York. Als Folge der Anschläge und der dadurch ausgelösten Brände stürzten die Zwillingstürme nach 56 beziehungsweise 102 Minuten in sich zusammen. In einem solchen Fall spricht man in der Bauwissenschaft von einem „progressiven Kollaps“, einer Kettenreaktion, bei der in Folge eines Brandes tragende Bauteile versagen, was schließlich zum Einsturz führt. Obwohl die beiden Türme fast senkrecht einstürzten, beschädigten oder zerstörten sie zahlreiche umliegende Gebäude.
Damit Trümmer in einem solchen Fall nicht gleich ein ganzes Viertel unter sich begraben, aber auch aus Gründen der Privatsphäre, dem Brandschutz allgemein oder der Luftzirkulation gibt es fest vorgeschriebene Abstandsflächen zu Nachbargebäuden, die eingehalten werden müssen. Diese sind auf Länderebene in den Bauordnungen geregelt und variieren je nach Dach- und Gebäudeart. Grundsätzlich ergibt sich die Abstandsfläche in Bayern aus der Gebäudehöhe multipliziert mit dem Faktor 0,4. Je nach baulichen Rahmenbedingungen kann dieser Faktor auf bis zu 1 angehoben werden. Für Hochhäuser im innerstädtischen Gebiet wird jedoch meist ein extra Gutachten erstellt und die Abstandsfläche sehr individuell berechnet.
Tiefgaragen: Bei der Nachhaltigkeit können sie wenig punkten.
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Darüber hinaus haben viele Städte und Kommunen eine „Stellplatzordnung“. In ihr wird geregelt, wie viele Stellplätze für Fahrräder und Kraftfahrzeuge auf einem Grundstück bei einem Neubau oder Nutzungsänderungen zu Verfügung gestellt werden müssen. In München sieht diese einen Parkplatz pro Wohnung vor. Für Versammlungsstätten wie die Paketposthalle ist ein Stellplatz pro zehn Besucher vorgeschrieben.
Zwar lassen sich durch die gute ÖPNV-Anbindung Stellplätze einsparen, ganz vermeiden kann man sie jedoch nicht. Laut dem Bürger*innengutachten PaketPost-Areal soll das Gebiet mit einer dreistöckigen Tiefgarage unterkellert werden. Tiefgaragen sind aus ökologischer Sicht jedoch nach Angaben von Kasprusch meist nicht nachhaltig, weil sie sowohl im Bau als auch im Betrieb große Mengen an Energie und Ressourcen.
Letztlich sind Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit ganzheitliche Prozesse, die nicht beim Wohnen aufhören, sondern schon beim Bauen anfangen. Nachhaltiges Bauen beinhaltet auch immer innovative Mobilitätskonzepte in Kombination mit dem tatsächlichen Wohnen (hierzu wird ein weiterer Artikel erscheinen). Beim Paketpostareal sind noch viele Fragen ungeklärt. Fakt ist, dass sich die Weltbevölkerung seit dem Bau des „Home Insurance Building“ in Chicago verfünffacht hat und Ballungsräume exponenziell wachsen. Auch für eine Großstadt wie München bleibt damit das Thema Wohnungsnot aktuell.
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