„Jede Gitarre erzählt eine Geschichte“
Jörg Medwed, im Raum Emmering als „Captain“ bekannt, sammelt, repariert und restauriert Gitarren aller Altersklassen. Manche sind bereits 60 Jahre alt. Ein besonderes Exemplar: eine Fender Stratocaster aus dem Jahr 1965, die ihm ein Weltenbummler vermacht hat. Die Gebrauchsspuren einer Gitarre verraten: Sie hat viel erlebt.
„Jede Gitarre hat eine Geschichte, und das darf man auch sehen.“ Unzählige Gitarren und Verstärker zählt der Captain zu seinem Repertoire. Wenn man genauer hinschaut, sieht man die ein oder andere Macke oder abgenutzten Lack an den teuren Instrumenten. Einige davon sind durch zahlreiche Auftritte, Proben und Tourneen angeschlagen. Andere werden nachträglich angeschliffen oder zerkratzt, um ihnen das gewisse Etwas zu geben.
Der Unterschied ist nicht nur optisch zu erkennen. „Ich wurde schon oft gefragt: ,Was willst du mit kaputten Gitarren?`“ Nicht nur der Klang, auch der Wert verändere sich enorm, sobald sie Spuren der Zeit trage. Künstliche Schäden würden den Instrumenten vor allem zugefügt, um den Wert zu steigern. Dem Captain jedoch macht keiner etwas vor. An den Schwingungen, also wie sich die Saiten im Body bewegen, spürt er, ob eine Gitarre blutjung oder bereits eingespielt ist. Oft gespielte Gitarren seien die klanglich besseren, sie würden besser schwingen.
Regelmäßig prüft er neue Schmuckstücke auf ihr Alter und die Spuren auf Griffbrett und Body. Auch so kann er feststellen, ob die Gitarre wirklich alt ist oder eine künstliche Alterung nachträglich ergänzt wurde. „Du siehst und hörst es der Gitarre an, ob sie was erlebt hat oder nicht.“
„Refinished-te“, also neu lackierte Gitarren, sinken im Wert um knapp die Hälfte. Eine solche Überlackierung zum Beispiel wird unter Schwarzlicht sichtbar. So erkennt der Captain, ob der Originalzustand noch gegeben ist oder nicht.
Vor allem auf Einsatzzweck und Pflege kommt es an, die die Instrumente erfahren haben. Zwei Gitarren aus ähnlichen Herstellungsjahren können völlig unterschiedlich aussehen, obwohl sie dieselbe Lebensdauer erreicht haben. Während die linke noch glänzt und funkelt, ist der Lack auf der rechten bereits abgenutzt, das Griffbrett verkratzt und der Body übersät von Macken und Ausbesserungen.
Die rechte Gitarre des Typs „Fender Jazz Master“ in der Farbe sonic blue, von Nikotin vergilbt, stammt wie das linke Exemplar in der Farbe sunburst aus dem Jahr 1965. Die linke ist im Neuzustand. Die rechte hingegen hat tausende Konzerte bestritten, weiß der Captain: Die deutsche Schlagerband „The Hurricanes“ hat vor Jahrzehnten, als die McGraw-Kaserne noch von den Amerikanern genutzt wurde, mit dieser Gitarre tausende Konzerte in München bestritten. Sonntagmorgens Frühschoppen, mittags Tanztee und abends Konzert im Casino. Und viele andere Auftritte. Bis zu zehn Gigs pro Woche.
Bei dem Rundgang durch seine „Captain Guitar Lounge“ betrachtet er seine Sammlung voller Stolz. Auch alte Verstärker haben es ihm angetan. Ihnen sehe man ebenfalls an, dass sie noch aus einer anderen Zeit stammen und dass der ein oder andere schon von Bühne zu Bühne gereist sei. „Man sieht die Zeit, die sie erlebt haben.“
Verschiedene Entwicklungsstufen und Designs haben sich angesammelt. Es gleicht fast einem Museum, das er sich über die Jahre aufgebaut hat. Zu jedem einzelnen Objekt kann er eine Geschichte erzählen und Fakten dazu aus dem Stehgreif nennen.
Die „Gretchen-Frage“, so nennt es der Captain, sei immer, ob ein Verstärker oder eine Gitarre wirklich alt sei oder nicht. Profis falle der Unterschied meist schnell auf. Ein Laie werde bei den Werten im mittleren Tausender-Bereich wohl kaum Verständnis für so einen Preis zeigen können. Der Captain gibt mit einem weiteren Faktor Einblick in die Welt der Gitarren-Kenner: „Den Wert einer Gitarre kann man sogar riechen.“
Auch der Captain hat schon die ein oder andere Gitarre künstlich altern lassen. „Man versucht Zeitgeschichte nachzustellen, doch den Unterschied erkennt ein Blinder.“ Er ist sich sicher: „Eigentlich zählen nur die echten Spuren, denn sie erzählen die wahre Geschichte und zeigen die Zeit, die ein Instrument wirklich hinter sich hat.“
Das ein oder andere „Schätzchen“ spielt er ab und an selbst. Musik gehört seit 1979 zu seinem Leben. Aus diesem Jahr stammt der erste Kontakt mit Vaters Jazzgitarre. Der gelernte Funkeletroniker liebt und lebt den Austausch mit Musikern aus aller Welt, die ihre Instrumente und Verstärker zu ihm bringen. An Verstärkern bastelte er schon als Jugendlicher. Auf diese Zeit geht auch die Beschäftigung mit elektrischen Gitarren zurück. Bereits über 40 Jahre schätzt und spielt er alte Instrumente, heute am liebsten in der Glam Gang, einer Band, die sich die 70er auf die Fahnen geschrieben hat. Die Songs von Sweet, T.REX oder E.L.O. bringen die Musiker von Glam Gang wieder zum Klingen. Der Captain am liebsten mit einer erfahrenen Gitarre.
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