Gesellschaft

Wächst München in die Höhe?

Felix Goedel
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Blick auf hohe Zwillingstürme vom Park aus

1200 Neubauwohnungen sollen auf dem Paketpostareal in München entstehen. Das Bild zeigt, wie die Zwillingstürme aussehen könnten. 

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Herzog & de Meuron

München ringt um sein Stadtbild: Zwei geplante 155-Meter-Hochhäuser könnten die Skyline verändern. Ein Bürgerentscheid über den Bau wurde vom Stadtrat abgelehnt. Dagegen will eine Bürgerinitiative nun klagen.
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Mit dem geplanten Bau zweier 155 Meter hoher Hochhäuser auf dem Areal der Paketposthalle könnte München vor einem entscheidenden architektonischen Umbruch stehen. Noch ist kein Stein gesetzt, da laufen die politische und die gesellschaftliche Diskussion schon auf Hochtouren. Während die Stadt in der Wohnungsnot auf Wolkenkratzer setzt, befürchten Kritiker den Verlust der Münchner Identität. Der Streit erinnert an frühere Auseinandersetzungen – und spitzt sich gegebenenfalls mit einem baldigen Bürgerentscheid zu.

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Menschen der Bürgerinitiative vor einer Wahlurne

Die Bürgerinitiative HochhausSTOP (auf dem Foto Anhänger der Initiative) möchte den Bau von Wolkenkratzern in München verhindern, während die bayerische Landeshauptstadt das Ziel verfolgt, mit Hochhäusern die Wohnungsnot zu bekämpfen. 

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Bürgerinitiative HochhausSTOP

Das aktuelle Vorhaben der Stadt erinnert an die Debatte von 2004. Schon damals war die Höhe von Gebäuden in München Streitpunkt, doch ein Bürgerbegehren verhinderte kurzerhand den Bau von fünf Hochhäusern in Zentrumsnähe. Eine klare Höhengrenze, bei der die Frauenkirche mit hundert Metern als Richtwert galt, wurde anschließend für ein Jahr festgelegt. In den Folgejahren wurde auch nicht höher gebaut. Heute (gut zwanzig Jahre später) geht es erneut um die Höhenfrage – diesmal in deutlich größeren Dimensionen: 155 Meter. 

Felix Goedel hat mit einem Befürworter und einem Gegner der Zwillingstürme gesprochen. Alexander Bock von der Stadt München setzt sich für den Bau der Hochhäuser ein, während Wolfgang Czisch, der der Initiative HochhausSTOP als stellvertretender Vorsitzender angehört, vor einem „Dammbruch zur gesichtslosen Hochhausstadt“ warmnt, sollte das Paketpost-Projekt Gestalt annehmen. 

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Mann vor Bücherregal

Wolfgang Czisch, stellvertretender Vorsitzender der Bürgerinitiative 

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Felix Goedel

Stadtplaner Alexander Bock aus dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung in München verteidigt die aktuellen Vorhaben. Die von ihm mitentworfene „Hochhausstudie 2023“ setze auf gezielte, städtebaulich verträgliche Verdichtung an ausgewählten Standorten. „Wir wollen kein Frankfurt“, so Bock. Czisch hingegen warnt: „Wer 155 Meter erlaubt, öffnet die Tür für 200.“ Seine Sorge: eine schleichende Veränderung des Stadtbildes und damit der Verlust der Münchner Identität. 

Auch beim Thema „Wohnraum“ gehen die Meinungen der Beiden auseinander. Bock sieht den Hochhausbau generell als „eine Chance zur Entlastung“. Czisch widerspricht: Geplant seien 1200 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätze, die auch wieder Wohnraum erfordern würden. „Das ist ein Nullsummenspiel – eher verschärft sich die Wohnungsnot.“ 

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Mann sitzt vor Landkarte in Büro

Alexander Bock, Stadtplaner aus dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Stadt München

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Felix Goedel

Im Zentrum der Kritik steht auch die Ausschreibung des Großprojekts. Czisch wirft der Stadt vor, es habe keinen städtebaulichen Wettbewerb gegeben. Normalerweise werden bei solchen Vorhaben Architekturwettbewerbe ausgeschrieben – ein öffentliches Ringen um den besten Entwurf. In diesem Fall verzichtete die Stadt auf einen offenen Wettbewerb. Stattdessen entwickelte der Investor Büschl das Projekt mit dem renommierten Architekturbüro Herzog & de Meuron, die die Allianz Arena und die Kunsthalle in den Fünf Höfen entworfen haben. 

Am Ende, so Bock, müsse die Stadt immer abwägen: Welche Vorgaben kann sich die Stadt erlauben, ohne große Investitionen zu gefährden. Für Wolfgang Czisch ist es ein Unding, dass Investor und Architekt ohne Ausschreibung feststanden: „Das beschneidet die Vielfalt und untergräbt die Kontrolle der Stadt“.

32.976 gültige Unterschriften hat die Initiative gesammelt. Die erforderliche Hürde von drei Prozent der Wahlberechtigten Münchens ist damit übersprungen. Anfang April 2025 bestätigte das Kreisverwaltungsreferat die Einreichung der Unterschriften. Am 30. April 2025 hat der Stadtrat das Bürgerbegehren jedoch für unzulässig erklärt. Die Mehrheit im Stadtrat folgte der städtischen Rechtsabteilung. 

Die Stadt argumentiert, dass die Fragestellung des Begehrens gegen das Planungsrecht verstoße. Sie greife unzulässig in die kommunale Planungshoheit ein und sei auch zu unbestimmt formuliert. Eine Klage der Initiative ist bereits angekündigt: „Falls die Landeshauptstadt München der Ansicht sein sollte, sich über den spektakulären Bürgerentscheid von 2004 hinwegsetzen zu wollen und unser Begehren für unzulässig zu erklären, werden wir gezwungen sein, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen“, haben die Vorsitzenden der Bürgerinitiative auf ihrer Homepage erklärt.

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Felix Goedel