Gesellschaft

Nachhaltigkeit in der Online-Lehre

Lars Kuswa
Marco Nüchter
Dominik Rabe
Lesezeit 5 Minuten
Fotocollage mit qualmenden Auspuff und Laptop auf einem Schreibtisch
Credit: pixabay.com, Kuswa, Nüchter, Rabe
Lesezeit 5 Minuten

Mit dem Ausbruch der Corona Pandemie im März 2020 ist das gesellschaftliche Leben in Deutschland fast zum Erliegen gekommen. Die Hochschulen jedoch mussten ihren Betrieb aufrechterhalten. Statt Präsenzvorlesungen fanden die Vorlesungen nun online oder in hybrider Form statt. Allein an der Universität der Bundeswehr München (UniBw) betraf dies rund 3.800 Studierende. Durch die Online-Lehre mussten die Studierenden weitaus seltener an die Universität kommen und sparten somit CO₂-Emissionen ein, oder? Wir haben uns gefragt, ob unsere Schlussfolgerung stimmt, und diese in einer Umfrage an der Universität der Bundeswehr überprüft.

 

 

Zuerst wollten wir herausfinden, wie viele Studierende der UniBw überhaupt mit ihrem eigenen PKW pendeln und welche Strecken sie dabei zurücklegen. Bei unserer Umfrage mit 350 Angehörigen der UniBw kam heraus, dass das bevorzugte Verkehrsmittel der PKW mit 180 Stimmen ist, dicht gefolgt von der Bahn mit 153 Stimmen. Dabei scheint die Präferenz für Bahn oder PKW von der zurückzulegenden Strecke abzuhängen. Während im Nahbereich von 0 bis 50 km noch andere Verkehrsmittel wie Fahrrad (7) oder zu Fuß gehen (7) mit einem Anteil 30 Prozent eine Rolle spielen, nimmt der Anteil der Bahnfahrenden mit der Entfernung stetig zu.

 

 

Ab 500 km ist klar zu erkennen, dass die Studierenden gegenüber der Autofahrt (35 Prozent) eine Bahnfahrt (63 Prozent) vorziehen. Ab dieser Strecke gaben auch zwei Teilnehmende das Flugzeug als Verkehrsmittel an.

Die Folgen durch Corona

Wie unsere Daten zeigen, hat sich das Pendelaufkommen der Studierenden während der Präsenzpflichtbefreiung in der Pandemie grundlegend verändert.

 

 

Vor der Pandemie sind die meisten Teilnehmenden (42 Prozent) wöchentlich gependelt; lediglich 9 Prozent gaben an, seltener als zwei Mal im Quartal zum Campus gependelt zu sein. Während der Präsenzpflichtbefreiung und des bundesweiten Lockdowns hat sich das Blatt jedoch gewendet. In diesem Zeitraum sind nur noch 21 Prozent der Befragten wöchentlich und 33 Prozent weniger als zweimal im Quartal gependelt. Mit dem Ende der Präsenzpflichtbefreiung im Oktober 2021 und dem Start der hybriden Lehre hat sich das Pendelaufkommen wieder dem Niveau von vor der Pandemie angenähert. Zum Umfragezeitpunkt pendelten sogar 43 Prozent der Teilnehmenden wöchentlich, was ein Prozentpunkt mehr ist als vor Corona. Wobei jeweils 15 Prozent angaben, aktuell monatlich oder weniger als zweimal im Quartal zu pendeln. Diese Anteile lagen vor Corona noch bei etwa 10 Prozent.

Wie die Ergebnisse zeigen, war es ein Effekt der Pandemie, dass die Studierenden weniger im Auto oder in der Bahn sitzen. Aber wie sieht es mit der Bildschirmzeit aus? Die Vorlesungen konnten nicht mehr real im Hörsaal stattfinden und mussten in die virtuelle Welt verlagert werden.

 

 

Die Grafik zeigt deutlich, dass vor der Pandemie fast niemand eine Vorlesung oder ein Meeting online besucht hat. 88 Prozent der befragten Studierenden gaben an, dass sie vor der Corona Pandemie keine oder maximal eine Stunde täglich in einer Online-Vorlesung verbracht haben. Anzumerken ist, dass die Teilnehmenden nur die vorgegebenen Intervalle zur Auswahl hatten. Somit konnten sie nicht „Gar nicht“ oder „0 Stunden“ angeben. Mit dem Start der Online-Lehre im April 2021 stieg auch die Zeit vor dem Bildschirm: 39 Prozent gaben an, mehr als vier Stunden täglich in einer Online-Vorlesung zu verbringen. Während das Pendelaufkommen durch die hybride Lehre wieder vor Corona Niveau erreicht hat, bleibt die Zeit in einer Online-Vorlesung durch die hybride Lehre hoch.

Doch wie verhalten sich die CO₂-Emissionen des Pendelns im Vergleich zu denen der Nutzung von PCs für Online-Meetings?

 

Aus den bisherigen Ergebnissen könnte man schließen, dass die hybride Lehre eine Doppelbelastung in Hinblick auf die CO₂-Belastung wäre. Dieser Frage ist die Universität Bournemouth in Großbritannien in einer Studie nach gegangen. In der Studie „The carbon footprint of a UK University during the COVID-19 lockdown“ haben Forschende festgestellt, dass die Online-Lehre ungefähr genauso viel CO₂ verursacht wie die Präsenzlehre. Der Strom und die Heizung für die eigenen vier Wände sind genauso „umweltunfreundlich“ wie das Fahren mit dem Auto an die Universität. Ein positiver Aspekt der Online-Lehre, der in diesem Zusammenhang von den Autoren der Studie hervorgehoben wird, ist, dass die Studierenden ihre Strom- und Heizkosten selbst zahlen müssen und somit sparsamer mit diesen Ressourcen umgehen als in den Universität- und Campusgebäuden. Ebenfalls werden die CO₂-Emissionen nicht durch Autos verursacht, sondern durch die Kraftwerke, welche diese punktuell, meist außerhalb der Stadt ausstoßen. So werden die CO₂-Emissionen verlagert. Diese Daten wurden während des Lockdowns von April bis Juni 2020 in Großbritannien gesammelt. Zusätzlich hat die Universität Bournemouth sich zur Aufgabe gemacht, möglichst nachhaltig zu sein. So wurden sämtliche Gebäude energieeffizient umgebaut. Laut der Studie solle man den Unterricht, wenn möglich, online abhalten. Vor allem, wenn die Wende zur Versorgung durch erneuerbare Energie abgeschlossen ist, ist die Methode der Online-Lehre sehr viel nachhaltiger. Das Fazit der Universität Bournemouth beinhaltet die Priorisierung der Online-Lehre. Aufgrund der psychischen Belastung ist die Präsenz-Lehre allerdings nicht gänzlich abzuschaffen, sondern ein hybrides Modell anzuwenden.

 

Bild
Studentin Viktoria von der Universität der Bundeswehr
Credit: Kuswa, Nüchter, Rabe

Wie haben die Studierenden die Pandemie bis jetzt erlebt?

Im Gespräch mit Viktoria von der Universität der Bundeswehr München (UniBw München) wird ihr Standpunkt schnell klar. Auf die Frage, wie sie die Online-Lehre wahrnimmt, antwortet sie: „Scheiße, es ist schwierig sich zu konzentrieren und der Vorlesung zu folgen, sich ablenken zu lassen hingegen fällt einem leicht.“

Auch bemängelt sie die fehlenden Austausch mit den Mitstudierenden: „Ich habe mich richtig auf die Uni gefreut. Neue Leute kennenlernen, Spaß haben, vielleicht auch die eine oder andere Party. Davon hat bisher noch nicht so viel stattgefunden.“ Weiter im Gespräch verrät sie, dass sie im ersten Studienjahr Präsenzpflichtbefreiung beantragen konnte und somit die Möglichkeit hatte von zu Hause zu studieren. Somit brauchte sie nicht mit dem Auto zwischen Kiel und der UniBw München pendeln. Im zweiten Jahr wurde dann mit Vorlesungen in Präsenz gestartet, durch Corona wurde dies allerdings schnell wieder auf die Online-Vorlesung umgestellt. Ihr Problem dabei ist das Internet, welches oftmals abstürzt. Dadurch entstehe eine gewisse Demotivation und der Vorlesung kann man auch schlecht folgen. Die Prüfungen werden bei der Universität der Bundeswehr allerdings nicht angepasst, diese sind genauso schwierig wie vor Corona, so Viktoria.

Laura studiert an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU München) und hat die Corona Pandemie ähnlich erlebt. „Im November 2021 (in meinem dritten Semester) konnte ich das erste Mal an meine Uni, da waren es dann vier bis fünf Mal in der Woche. Aktuell ist aber alles wieder online“, so die LMU-Studentin. Auf die Frage wie sie die Online-Lehre wahrnimmt, antwortet sie: „Einsam, viel Potenzial zur Ablenkung.“ Sie beschreibt ebenfalls, dass sie wenig Motivation habe und ihr sehr viel Selbstdisziplin abverlangt werde. Die Vorlesungen seien eintönig und sie habe sich kaum bis gar nicht beteiligt. Auch sie beschreibt ähnliche Probleme: „Man hatte (zu) viel Zeit, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, es konnten keinerlei zwischenmenschliche Verbindungen aufgebaut werden, wodurch sich das Sozialverhalten stark ins Negative verändert hat. Nach der Online-Lehre war alles in Präsenz viel anstrengender, die Aufmerksamkeitsspanne viel geringer, soziale Kontakte anstrengend und schnelle Überforderung mit zu vielen Reizen und Anforderungen.“ Die Prüfungen im Hauptfach fanden, genauso wie die Vorlesungen, online als Multiple-Choice-Klausur statt. Im Nebenfach musste sie Fälle lösen, welche dann hochgeladen wurden, so die LMU-Studentin.

Was schlussfolgern wir?

Anhand unserer Umfrage pendeln weniger Studierende mit dem Auto und mehr mit der Bahn, wobei die Häufigkeit des Pendelns gestiegen ist. Die Online-Lehre hat vor allem in Zukunft den Vorteil, nachhaltiger zu sein. Allerdings ist die psychische Belastung aufgrund fehlender Kommunikation sehr hoch. Ein hybrides Modell würde beides berücksichtigen, somit könnten die Studierenden beide Vorteile genießen, allerdings entstehen so CO₂-Emissionen durch das Pendeln, das Heizen der Vorlesungsgebäude und durch die Online-Meetings, sodass diese Variante die am wenigsten nachhaltige ist. Was genau in Zukunft kommen wird, kann man allerdings schlecht voraussagen.

Ein Artikel von

Lars Kuswa
Marco Nüchter
Dominik Rabe