Gesellschaft

Hinter den Kulissen der Münchner Tafel

Felix Lüders
Jan Hormann
Lesezeit 10 Minuten
Verladerampe Münchner Tafel
Ein üblicher Morgen am Warenlager der Tafel.
Credit: Felix Lüders
Die Münchner Tafel versorgt pro Woche mehr als 20.000 Bedürftige mit 125.000 Kilogramm Lebensmitteln an über 27 Verteilstellen in München. Doch wie läuft die Logistik ab und wer ist für die Spenden verantwortlich? Unsere Reporter haben einen Blick hinter die Kulissen gewagt.
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Lagerhallen, Gabelstapler, Paletten: Es piept, ein Lastwagen fährt rückwärts. Arbeiter rufen sich Anweisungen zu, Fahrzeuge hupen. Es ist ein gewöhnlicher Freitagvormittag an den Großmarkthallen der Münchner Tafel, mitten in der Stadt. Michael Hoffmann betritt gerade eine Lagerhalle, da klingelt sein Smartphone. Zum zweiten Mal in wenigen Minuten. Ein Warensponsor will ein Anliegen mit ihm besprechen. Doch Hoffmann hat gerade keine Zeit. Er muss sich um die Waren kümmern und legt das Gespräch auf den Nachmittag. Hoffmann ist zuständig für sämtliche Sponsoren und Unterstützer der Münchner Tafel. Und davon gibt es einige.

In einer dieser weitläufigen Hallen lagert die Münchner Tafel sämtliche Lebensmittelspenden bis zur Weiterverteilung an die insgesamt 27 Verteilstellen. "Aktuell bekommen wir wöchentlich um die 130 Tonnen an Waren", sagt  Hoffmann. Für die aktuell rund 23.000 Gäste, so werden die Kunden der Tafel genannt, sei die Versorgung derzeit sichergestellt.
Tomaten, Salat, Karotten - ein Sortiment wie im Supermarkt: Das Lager der Tafel ist in zwei Bereiche unterteilt, in denen sich Paletten und Kisten voll mit buntem Gemüse und anderen Lebensmitteln stampeln. "In ein paar Stunden ist das hier leer", sagt Hoffmann. Da surrt auch schon ein Gabelstapler heran, Palette für Palette wird über eine Laderampe in die weißen Transporter der Tafel geladen. Doch woher stammen die ganzen Lebensmittelspenden?

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Portrait Hoffmann
Michael Hoffmann ist der Sponsorenverantwortliche der Münchner Tafel.
Credit: Felix Lüders

Mit Blick auf die Zahlen sind Spenden von Privatpersonen am häufigsten. Überwiegend werden Lebensmittel abgegeben. Eine Art der Gegenleistung entfällt. Für 78 Euro pro Jahr kann ein Spender zum sogenannten "Gastgeber" werden. "Wir haben das ausgerechnet, es reicht uns, um einen Gast für ein Jahr mit Lebensmitteln zu versorgen", sagt Hoffmann. Von den Beträgen her überwiegen jedoch Spenden von Unternehmen, sowohl finanzielle als auch Sachspenden. Unter den Spendern sind auch Großkonzerne wie Amazon. Wie sieht die Unterstützung dieses teils kontrovers gesehenen Milliardenunternehmens aus? Welche Motive stehen hinter der Unterstützung?

 

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Ein üblicher Morgen am Warenlager der Münchner Tafel.
Ein üblicher Morgen am Warenlager der Tafel.
Credit: Felix Lüders

"Amazon ist einer unserer größten Unterstützer, finanziell, aber auch warentechnisch", sagt Hoffmann. "Von Amazon Fresh bekommen wir täglich mehrere Paletten mit frischen Waren." - "Täglich", betont Hoffmann. Dennoch müsse man sich einer gewissen Kritik aussetzen. "Wir hören oft, 'wie könnt ihr nur mit Amazon zusammenarbeiten?'. Fakt ist allerdings, dass dieses Unternehmen sich entschieden hat, etwas Gutes zu tun und wir als Münchner Tafel nehmen diese Hilfe gerne an", so Hoffmann. Eine persönliche moralische Bewertung von Amazon sei an dieser Stelle nicht angebracht. Schließlich erfahre man eine "unglaubliche Unterstützung durch dieses Unternehmen". Man sei stolz auf die Zusammenarbeit. Um den genauen Motiven von Amazon nachzugehen, haben wir eine Interviewanfrage gestellt, die allerdings leider unbeantwortet blieb.

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Tafel München Aussenansicht
Die Transporter erreichen eine der Verteilstellen, Unterstützerinnen und Unterstützer bereiten alles für die Gäste vor.
Credit: Felix Lüders

Standortwechsel: Rohbetonwände, warmes Licht und der Duft von frischen Backwaren zieren die Bäckerei Neulinger im Münchner Stadtteil Sendling. Bäckermeister Ludwig Neulinger kommt aus der offenen, in den Sitzbereich übergehenden Küche. Mitarbeiter kneten Teig und befüllen Backbleche. Wie sie, trägt auch er ein von Mehl überzogenes weißes T-Shirt und eine Schürze.  

 

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Portrait Bäcker
Bäckermeister Ludwig Neulinger unterstützt die Tafel mit selbstgemachten Backwaren..
Credit: Felix Lüders

Auch Neulinger spendet an die Münchner Tafel. "Ich habe den Anspruch an mich, kein Essen wegzuschmeißen und das habe ich jetzt 23 Jahre geschafft. Als Bäcker will ich, dass auch der letzte Kunde am Abend noch eine Auswahl hat, weil ich will, dass er morgen wiederkommt", so Neulinger. Tage, an denen alles verkauft ist, seien für ihn schlechter, da dann "der letzte Kunde keine Auswahl" mehr habe. "Da habe ich lieber mehr über und gebe den Rest davon an die Tafel. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Jemand der hungert ist vielleicht gar nicht weit weg und kann so unterstützt werden."

Überwiegend Brote aber auch Croissants oder Quarktaschen liefert der Bäckereibetrieb an die Tafel. Mal wenige kleine Körbe, mal dutzende große Kisten. Restwaren werden entweder weiterverarbeitet oder direkt an die Tafel gegeben. Die kostengünstigste Lösung wäre tatsächlich das Entsorgen im Mpll, der Arbeitseinsatz sei dabei minimal. Doch das Sortieren, Verpacken und das Transportieren der Restware zur Tafel hindern den Bäckermeister nicht an seiner Unterstützung.

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Lebensmittel auf Palette
Frische Lebensmittel stehen zur Verladung bereit.
Credit: Felix Lüders

Der Transport von Waren stellt nicht nur für Neulinger eine Herausforderung dar. Gerade bei Lebensmitteln, die nur eine geringe Haltbarkeitsdauer haben, ist eine gute logistische Organisation erforderlich. Hierzu werden im Laufe einer Woche alle Lebensmittel an die Verteilstellen sowie 107 soziale Einrichtungen transportiert. Diese Aufgabe übernehmen die mehr als 650 ehrenamtlichen Helfer. Die Tafel besitzt einen Fuhrpark von 18 Kühltransportern, die, nimmt man die gefahrenen Kilomter pro Jahr zusammen, jährlich acht Mal die Erde umrunden.

Ein weiterer Sponsor der Münchner Tafel ist das Unternehmen Dallmayr. "Dallmayr spendet der Tafel zu Weihnachten 8000 Packungen Kaffee, zusammen mit gespendeten Stollen bereiten wir so unseren Gästen stets eine kleine Freude vor Weihnachten, sagt Hoffmann. Doch auch bei Dallmayr hält man sich zu den Beweggründen der Spenden bedeckt. Man wolle sich nicht dazu äußern.

Hoffmann kennt viele Sponsoren, die hohe Summen aus privatem Vermögen spenden. Doch auch diese würden sich lieber aus der Öffentlichkeit halten. Ob Idealismus oder Unternehmensstrategie: Für die Münchner Tafel geht es am Ende nur darum, ihre über 23.000 Gäste versorgen zu können. Und, dass die Spenden ernstgemeint sind, so Hoffmann.

Ein Artikel von

Felix Lüders
Jan Hormann