Gesellschaft

"Der Verbraucher hat es in der Hand"

Nils Pötzl
Sara Schramm
Emilia Born
Lesezeit 10 Minuten
Biotheke im Supermarkt
Credit: Pötzl
Öko? Logisch! Ein Bauer, der aus Überzeugung Öko-Landwirt geworden ist, ein Supermarktbesitzer, der am liebsten nur noch Bio-Produkte anbieten würde und ein Ministerium, das die eigens gesteckten Ziele für unerreichbar hält. Ein Feature über den Öko-Landbau in Bayern.
Lesezeit 10 Minuten

Es ist acht Uhr morgens auf dem Biohof Lenz. Die ersten Sonnenstrahlen fallen auf den Hof und blenden Landwirt Franz Lenz junior. Er ist schon seit ein paar Stunden auf den Beinen. Seine Rinder versorgen sich schließlich nicht von selbst. Die Feldarbeit hat ihm über die Jahre hinweg einen rotbraunen Teint verpasst. Lenz kneift die Augen zusammen und lässt seinen Blick über den Hof schweifen. Es ist noch gar nicht lange her, erinnert sich Lenz, da tummelten sich die Menschen vor seinem Hofladen.

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Zorneding: Der Hof von Familie Lenz
Seit über 30 Jahren der einzige Biohof in Zorneding: Der Hof von Familie Lenz.
Credit: Seit über 30 Jahren der einzige Biohof in Zorneding: Der Hof von Familie Lenz. (Credit: Nils Pötzl)

In einer Sache sind sich Landwirt Lenz und der EDEKA-Filialleiter Hertscheck einig: Zu Zeiten von Corona boomte das Geschäft mit Bio-Lebensmitteln so stark wie noch nie.

Es gibt viele Gründe, warum die Verbraucher sich während Corona für Bio-Produkte entschieden haben. Einen davon kennt auch Franz Lenz junior. Er ist Biobauer in Zorneding, in der Nähe von München. Er glaubt, dass die Leute während Corona mehr

Zeit gehabt hätten, um sich mit sich selbst und ihrer Ernährungsweise zu beschäftigen. Sie konnten keine Restaurants besuchen und haben stattdessen wieder selbst gekocht. „Dann können wir das Geld ja sowieso nicht für den Urlaub ausgeben, dann packen wir es in etwas Gescheites“, mutmaßt der Bio-Landwirt mit Blick auf die Verbrauchersicht.

Besonders aufgefallen sei es ihm beim Rindfleisch. "Während der Corona-Zeit hat es einmal nur 8 Minuten gedauert, bis das ganze Tier verkauft war", so Lenz junior. Jetzt sei es so, dass sie mehrere Tage bräuchten, bis das Tier verkauft sei. "Und manchmal bleibt sogar etwas übrig.“

 

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Kuhstall mit Kühen
Wenig Technik, viel Handarbeit: Der Kuhstall von Biobauer Lenz.
Credit: Nils Pötzl

Der Bauernhof Lenz ist seit 30 Jahren ein Biohof. Für Lenz junior sei es damals vor allem „eine Überzeugungsgeschichte“ gewesen. „Wir haben festgestellt, dass das, was wir machen, eigentlich absoluter Irrsinn ist“, so der Bauer retrospektiv. „Wir dachten, das geht in eine Sackgasse.“ Damals war die Familie Lenz der erste Betrieb im Ort, der auf Bio umgestellt hatte. Es sollte bis heute der Einzige im ganzen Ort bleiben.

Denn die Umstellung auf Bio hat es in sich. Daran erinnert sich der Bauer noch gut. Während einer dreijährigen Umstellungsphase kämpfen die angehenden Bio-Landwirte mit niedrigen Erträgen und Preisen. Außerdem ändert sich der Arbeitsalltag grundlegend. „Es fallen manche Arbeiten weg“, sagt der 58-Jährige, „darunter vor allem das Ausbringen von Herbiziden und Sprühen von Düngemitteln“. An deren Stelle tritt das Einhalten eines sogenannten Fruchtfolgezyklus. Dieser soll langfristig die Bodenqualität erhalten und außerdem vor Schädlingen und Keimen schützen. Dabei bauen die Landwirte in aufeinanderfolgenden Vegetationsperioden verschiedene Pflanzen und Kräuter an, die den Boden mit Nährstoffen versorgen. Für Lenz junior ist das „ein weiteres Beispiel dafür, dass der Bio-Landbau komplett anders arbeitet als der konventionelle Landbau.“ Dennoch ist der Fruchtfolgezyklus keine Goldrandlösung. Im Gegenteil - es gibt Faktoren, wie das Wetter, die die Landwirte dazu zwingen, ihre Fruchtfolge „ab und zu mal umzuschmeißen“, erklärt Lenz junior.

Aber auch das garantiert keinen Erfolg. Weil Bio-Produkte nicht immer mit konventionellen Produkten zusammen verarbeitet werden können, bleiben die Bauern häufig auf einem Teil ihrer Ernte sitzen. Zudem ist „die Absatzlage im Bio-Bereich momentan gar nicht so toll.

 

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Bauer vor Kartoffeln
Für einen Teil seiner Ernte findet Lenz keinen Abnehmer.
Credit: Pötzl

Eine andere Perspektive auf Bio-Lebensmittel hat der selbstständige Kaufmann Robin Hertscheck, Inhaber einer EDEKA Filiale in der Nähe von München. Er ist normalerweise barfuß im Laden unterwegs. Heute hat er sich aber für Flip-Flops entschieden.

Hertscheck zieht sich am Automaten einen Kaffee mit Hafermilch und macht sich auf den Weg in den Personalraum. Während er seinen Kaffee schlürft, kümmert er sich um die neuen Bestellungen.

 

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Robin Hertschek vor Auslage im Supermarkt
Edeka Filialleiter Robin Hertscheck in seinem Supermarkt.
Credit: Pötzl

Sein Bio-Obst und -Gemüse kauft Hertscheck auf dem Großmarkt in München ein. Dort gäbe es allerdings nur einen einzigen Händler, der Bio anbiete. Die Nachfrage sei gering, vor allem bei Inhabern von Obst- und Gemüseständen, so Hertscheck. Diese verzichten auf Bio, da die Ware leichter verdirbt als konventionelle, was wiederum damit zu tun hat, dass bei Bio-Waren nicht gespritzt werden darf. Demgegenüber steht eine große Auswahl an Bio-Produkten in den Supermärkten und Discountern. Und genau das sehe der Filialleiter kritisch. Denn dadurch würden die reinen Bio-Läden und Reformhäuser aussterben. Zudem kritisiert er die Preise der anderen Supermarkthändler. Diese würden die Ware überteuert weiterverkaufen, weil der Konsument denke, „wenn es zu günstig ist, ist es nicht mehr Bio“. Hertscheck weiß jedoch, dass die konventionelle Ware teilweise sogar teurer als die Bio-Ware ist. Er macht die „Etablierung der Marke Bio“ dafür verantwortlich. In den Köpfen der Verbraucher erzeugt das den Eindruck, dass Bio automatisch teurer sein muss.

Der Kaffee ist getrunken und die Bestellung abgeschlossen. Hertscheck schlendert zurück in den Laden. Dort betreten neue Kunden seine Filiale. Viele kennen den braungebrannten Dreitagebartträger persönlich. Ein kurzer Small Talk und dann geht es für den 35-Jährigen an die Obst- und Gemüsetheke. Denn für „das Persönliche, das Regionale, die Frische, wenig Verpacktes“ stehe Hertscheck fast jeden Tag selbst im Laden. Er ist der Meinung, „wenn man sieht, wie kaputt die Böden sind, dann dürfte man eigentlich nur noch Bio-Produkte anbauen“.

 

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Ladendesign vom EDEKA-Hertscheck.
Das Ladendesign von EDEKA-Hertscheck ist alternativ ausgerichtet.
Credit: Pötzl

In Bayern werden 13,4 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen ökologisch bewirtschaftet. Das Wiesen-und-Weideland Bayern hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 einen Anteil von 30 Prozent zu erreichen. Laut Prognosen des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) sei dies unrealistisch. „Das heißt aber nicht, dass wir das Ziel aufgeben. Das ist ein politisches Ziel und wir tun sehr viel, um den Öko-Landbau in Bayern zu unterstützen“, sagt Wolfgang Wintzer vom StMELF. Ein Beispiel dafür ist die Einführung eines Bio-Siegels speziell für Bayern. „Durch das bayerische Öko-Siegel versuchen wir dem Verbraucher klarzumachen: Wenn du viel Bio in Bayern willst, dann musst du auch viel Bio aus Bayern kaufen“, sagt Wintzer. Denn für das Ministerium stehe fest: „Der Verbraucher hat es in der Hand."

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Nils Pötzl
Sara Schramm
Emilia Born