Gesellschaft

Sportevents & Massentourismus – Der Klimawandel vor unserer Haustür

Philipp Lück
Jonas Stern
Lesezeit 8 Minuten
Der Arlberg - auch hier macht sich der Klimawandel bemerkbar.

St. Anton am Arlberg

Credit: Jonas Stern
Die Gletscher schmelzen, der Permafrostboden taut auf - wir sind vielleicht die letzte Generation, die die Alpen in ihrer jetzigen landschaftlichen Ausprägung kennen lernen darf. Der Klimawandel und die damit verbundenen erhöhten Oberflächentemperaturen lösen fast nirgendwo in Europa so gravierende Veränderungen aus, wie in den Alpen.
Wir stellten uns die Frage, ob das "uns", als Touristen überhaupt bewusst ist? Und kann es im Skitourismus und Skisport so weiter gehen wie bislang?
Lesezeit 8 Minuten

Als Studenten der Universität der Bundeswehr München befinden wir uns im Voralpenland und damit weniger als eine Autostunde von den Alpen entfernt. Viele Studenten nutzen die geografische Nähe für Tagesausflüge zum Klettern, Wandern oder Skifahren. 

Bezogen auf den Klimawandel stellen die Alpen eine der am meisten betroffenen Region Europas dar. Ob dies in den Köpfen von Wintersportlern präsent ist und was die Tourismus- und Skisportbranche gegen den Klimawandel in den Alpen unternimmt das haben wir für euch recherchiert! 

Unsere Fragen haben wir Thomas Ammer, ehemaliger Head of Marketing von Atomic Ski, pensionierter Skirennläufer und Initiator der Initiative Dein Winter. Dein Sport (Interessenvertretung der deutschen Wintersportverbände) sowie Hobbysportlern direkt auf der Piste gestellt.

 

Der Klimawandel wirkt sich in den Alpen deutlich stärker aus als im globalen Mittel

In den letzten 100 Jahren ist die durchschnittliche globale Oberflächentemperatur um ca. 0,8  Grad Celsius angestiegen. Bis zum Ende des Jahrhunderts ist eine weitere Temperaturerhöhung zwischen 0,3 und 4,8 Grad Celsius prognostiziert. 

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Die globale Klimaerwärmung

Die globale Erdoberflächenerwärmung

Credit: IPCC, 2013

Dies hat gravierende Folgen für Europa und vor allem auch den Alpenraum. Hier wirkt sich der Klimawandel deutlich stärker aus als im globalen Mittel. In den Ostalpen ist die Temperatur in den letzten 100 Jahren um knapp 2 Grad Celsius angestiegen, global waren es nur ca. 0,8 Grad Celsius. Auch die Prognosen für die kommenden 50 Jahre sagen für die Alpen eine deutlich höhere Erwärmung voraus. Eine Studie des deutschen Alpenvereins geht von weiteren +1,4 Grad Celsius bis 2050 und +3 bis +5 Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts aus. Besonders anschaulich ist dies auf den Gletschern des größten europäischen Gebirges geworden. Spezifische Informationen und Faktenwissen über den Zustand der acht größten Alpengletschern findet Ihr in der folgenden Grafik:



 

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Der dt. Skiweltcup Rekordsieger Felix Neureuther sagte dazu im Interview mit National Geographic am 16. September 2021 folgendes:

Die Auswirkungen sind dramatisch. Die Gletscher sind ein riesengroßer Wasserspeicher – und nicht nur für uns Menschen, sondern vor allem auch für die Tier- und Pflanzenwelt so wichtig. Wenn man weiß, dass es sie wegen der Klimaerwärmung bald einfach nicht mehr geben wird, ist das schon sehr erschreckend.

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Aletschgletscher

Der Aletschgletscher – Der größte in den Alpen

Credit: David Taljat

Ursache Profisport und Massentourismus

Der internationale Profisportler und Publikumsliebling widmet sich nach dem Karriereende seinem Herzensthema: Nachhaltigkeit in den Alpen. In seinem Buch Unsere Alpen” beschäftigt er sich mit den Veränderungen in dem größten Gebirge Europas. Nicht nur die Tatsache der weltweiten CO2-Belastung und der damit einhergehenden Klimaerwärmung werden als Problem ausgemacht, sondern auch die Beanspruchung der Täler und Naturräume durch Großsportevents und Massentourismus. Wie das zu lösen ist und an welchen Stellschrauben die Branche bereits dreht, beantwortete uns Thomas Ammer:

Thomas, du bist ehemaliger Head of Marketing bei Atomic Ski, ehemaliger Rennläufer und Initiator der Initiative Dein Winter. Dein Sport. Du kennst dich also bestens im Skiweltcup aus. Siehst du aus deiner Perspektive eine Veränderung im Umweltbewusstsein der Weltcup Organisatoren und dem Drumherum?

Egal ob in Garmisch-Partenkirchen oder in Gröden, alle machen sich Gedanken. Angefangen beim Catering, idealerweise mit regionalen Produkten und keinem Plastikgeschirr bis hin zur Besucheranreise per ÖPNV, etc.. Aus Seiten der Weltcup Veranstalter findet im Moment ein Umdenken statt. Das wird sicher nicht das Ende der Reise sein, sondern erst der Anfang.”

Was ist, wenn ich dabei den Begriff Greenwashing” in den Raum werfe. Assoziierst du damit etwas im Bezug auf den Skiweltcup?

Greenwashing kann sich in den heutigen Zeiten keiner mehr erlauben, dafür sind die Konsumenten auch zu feinfühlig geworden.”

Frage zu #careforfuture an Thomas Ammer
Audiodatei

Wie handhabst du als aktiver Wintersportler selbst das Thema Umweltbewusstsein im Skisport? Auf welche Dinge achtest du diesbezüglich wenn du mit deiner Familie auf die Piste gehst?

Ein Skigebiet wie Garmisch-Partenkirchen ist besonders für eine Anreise mit der Bahn geeignet, da der Bahnhof unweit des Skigebiets gelegen ist. Ab München sind auch die Skigebiete Kitzbühel, St. Anton und Zell am See geeignet. Ein Skigebiet, was besonders früh auf das Thema Umwelt gesetzt hat, ist das Skigebiet Laax in der Schweiz. Das beste Skigebiet ist aber das nächstgelegene.”

Ein kurzes Abschlussstatement. Was wünschst du dir für die Zukunft und wie sieht das private Skivergnügen und der Skiweltcup künftig aus? 

Wenn in Zukunft aus Weltcup Veranstaltungen die Motivation entsteht, dass Kids und Jugendliche ihre Vorbilder im Wintersport sehen und dadurch selbst zum Sport kommen, ganz unabhängig davon, ob es am Ende Leistungssport ist oder einfach mal auf die Piste zu kommen und draußen zu sein. Das wäre mein Wunsch in der Zukunft!”

Vielen Dank für deine Zeit!

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Weltcup - Großevent Schladming

Weltcupevent in Schladming (Dachstein)

Credit: OK Weltcup Schladming und Martin Huber

Was ist #careforfuture?

#careforfuture ist ein Projekt von den Verbänden DSV, DSLV, Snowboard Germany und SIS, welches als Forderungs- und Verhaltenskatalog eine geschlossene Position der Organisationen zum Thema Nachhaltigkeit darstellen soll. Details könnt Ihr folgender Grafik entnehmen und für weitere Infos klickt auf den Hashtag:

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Kampagne #careforfuture

Die #careforfuture Kampagne

Credit: TOC Agentur für Kommunikation

Was ist eigentlich sanfter Tourismus?

Sanfter Tourismus ist eine Form des Reisens, die drei wesentliche Anliegen verfolgt: So wenig wie möglich auf die bereiste Natur einzuwirken bzw. ihr zu schaden, die Natur möglichst nah, intensiv und ursprünglich zu erleben, sich der Kultur des bereisten Landes möglichst anzupassen.

Was ist eigentlich Greenwashing?

Greenwashing oder Greenwash ist eine kritische Bezeichnung für PR-Methoden, die darauf zielen, einem Unternehmen in der Öffentlichkeit ein umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image zu verleihen, ohne dass es dafür eine hinreichende Grundlage gibt.

Was denken Skitouristen auf der Piste?

Wie präsent ist der Klimawandel in den Köpfen der Skitouristen und wirkt sich das jetzt bereits auf das individuelle Urlaubsverhalten einzelner aus? Das haben wir in einer Umfrage in den Skigebieten St. Anton am Arlberg und Garmisch Partenkirchen für euch erfragt und die Erkenntnisse in den folgenden Grafiken veranschaulicht:

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Rund zwei Drittel der Befragten Personen sind demnach mit konventionellen Fahrzeugen mit Verbrenner bzw. Plug-in-Hybrid-Antrieben angereist. Zehn Personen sind klimaschonend mit einem Elektrofahrzeug in das jeweilige Skigebiet gefahren, während sieben mit der Bahn und acht mit einem Reisebus das Ziel erreicht haben. Zumindest ein Drittel wählte also bereits eine sanfte Tourismus Alternative.

 

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Dennoch haben sich bereits über die Hälfte aller Befragten mit sanftem Tourismus beschäftigt und gaben an schon einmal auf nachhaltige Unterkünfte, nachhaltige An- und Abreise sowie nachhaltig zertifizierten Regionen bei der Urlaubsplanung geachtet zu haben.

 

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Die offene Frage Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptfaktoren für die Umweltzerstörung in den Alpen?” beantworteten viele Befragte ähnlich. Dennoch kam es zu Einzelmeinungen.

Rund zehn Personen sprachen sich für CO2 als Hauptfaktor aus, während 18 Personen ähnlich mit Treibhausgasen” antworteten. Fahrzeuge” sind für 10 Personen die Ursache. 32 erklärten allgemein die Erderwärmung für den Hauptgrund. Lediglich vier Personen haben dem Ski und Bike Tourismus die Schuld gegeben  während einer die Menschheit allgemein verantwortlich machte. Die Erde wehrt sich nicht” wurde ebenfalls von einem Mitbürger eingebracht.

 

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Als Vergleich zu anderen Urlaubsarten, fragten wir Pauschal nach der Einschätzungen der Klimabilanz. Eine Woche Skiurlaub inkl. Skigebietsbetrieb (Beschneiung, Präparation, Liftbetrieb, Logistik) und An- bzw. Abreise im Vergleich zu einer Woche auf der Insel Mallorca mit All-Inclusive und Flügen. Laut dem österreichischen Umweltbundesamt beträgt die Umweltbelastung eines Mallorca Urlaubs demnach ca. das 10-Fache. Diese Einschätzung trafen auch über 84% der Befragten.

Daraus kann man schlussfolgern, dass auch bei Hobby Skifahrern und Skifahrerinnen im Touristikbereich ein Umdenken statt findet. Es hat sich gezeigt, dass auch wenn sich noch nicht viele Touristen aktiv für sanfte Tourismus Alternativen entscheiden, die Präsenz und Notwendigkeit eben dieser bereits angekommen ist. Viele haben Kenntnisse über die Situation und deren Ausmaße in der Zukunft. Jetzt gilt es, die Attraktivität sowie Bekanntheit von sanftem Tourismus vor unserer Haustür voranzutreiben und ebenso bezahlbar zu machen.

Ein Artikel von

Philipp Lück
Jonas Stern