Trend Vanlife – Wirklich so grün wie alle behaupten?
Laut einer Datenerhebung vom Kraftfahrt-Bundesamt wurden im Jahr 2018 vor der Pandemie ca. 46.800 Wohnmobile zugelassen. Im Jahr 2021 waren es mehr als 79.600. Inwiefern kann man hier noch von nachhaltig sprechen? Um genauere Antworten auf diese Frage zu finden, haben wir Frau Dr.-Ing. Ilka Gehrke vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT zu einem kurzen Gespräch gebeten.
In einer 2018 veröffentlichten Studie des Instituts mit dem Thema “Kunststoffabfälle und Mikroplastik in der Umwelt” wurde festgestellt, dass der Abrieb von Autoreifen mit Abstand die größte Quelle für Plastikeinträge in der Umwelt ist. Studien gehen von bis zu 140.000 Tonnen aus, die jedes Jahr in Deutschland abgefahren werden. Zur kurzen Erklärung: Als Mikroplastik werden Plastikstücke bezeichnet, die eine Größe von weniger als 5 Millimeter aufweisen und teilweise mit dem bloßen Auge schwer zu erkennen sind. Reifenabrieb erfolgt bei der Kraftübertragung an der Kontaktfläche zwischen Reifen und Fahrbahn, indem sich Partikel durch die Hitze in den Reifen verflüchtigen. Doch wo verbleibt eigentlich das abgefahrene Gummi? Innerhalb von Ortschaften landet der Reifenabrieb über die Gullys in der Kanalisation. Außerhalb von Ortschaften versickert er im Erdreich. Die Menge des Reifenabriebs wird hierbei nicht nur von der Fahrweise beeinflusst, sondern auch vom Gewicht des Fahrzeuges. Ein Standard-Wohnmobil wiegt ohne Zuladung ca. 3 Tonnen und ist damit doppelt so schwer wie ein herkömmlicher Pkw.
Auf der Grundlage einer eigenen Datenerhebung, bei der wir 145 Vanlifer befragt haben, konnten wir eine durchschnittliche Kilometerleistung von ca. 15.600 Kilometern pro Jahr errechnen. Laut einem Reifentest des ADAC, lieferten die untersuchten Pneus im Durchschnitt ca. 120 Gramm Reifenabrieb pro Satz und 1.000 Kilometern. Für unsere Berechnungen bedeutet das, dass jeder unserer Befragten, allein mit seinem Van, 1,9 Kilogramm Gummi pro Jahr auf der Straße lässt. Als weitere Umweltbelastung kommt zudem ein CO2-Ausstoß von ca. 6,2 Tonnen (Dieselmotor) pro 15.600 Kilometer hinzu.
Nichtsdestotrotz schätzen 70 Prozent unserer Befragten Vanlife als nachhaltig ein. Auf die Nachfrage des Warums, wurden hierbei der geringere Konsum von Ressourcen und der minimalistische Lebensstil genannt.
Dies haben uns auch Felix Hartl und Nadja Rietzler, zwei Vanlifer aus München, bestätigt: „Wenn man Vollzeit in einem Camper wohnen würde, dann würde man schon deutlich mehr Wasser sparen.” Zum Thema Reifenabrieb haben die beiden eine kritische Meinung. Deutschland sei bekannt dafür, dass es die Welt retten wolle. Nach Felixs Auffassung sei Reifenabrieb nicht unser allergrößtes Problem. Es gebe sehr viel kritischere Sachen für die Umwelt, an denen man dringend ansetzten sollte. „Es sollte sich nicht nur in Deutschland etwas ändern, sondern auf der ganzen Welt. Andere Länder sensibilisieren, die wirklich mit ihrem Müll so umgehen, dass alles zu spät ist”, erklärt uns Felix weiter. Durch Corona sei Vanlife ein wahnsinniger Trend geworden. „Man spürt das auch bei den Parklizenzen. Ich wohne in Schwabing und unsere komplette Straße ist voll mit Campern!”, sagt Felix. Die Anzahl an Neuzulassungen im vergangenen Jahr sehen die beiden trotzdem eher entspannt. Nadja glaubt, dass diejenigen, die das nicht mit Herzblut machen, demnächst sowieso wieder damit aufhören werden. Spätestens aber, wenn das Verreisen mit dem Flugzeug wieder uneingeschränkt möglich sei.
Summa summarum: Natürlich ist es in Ordnung mit dem Camper in den Urlaub zu fahren. Jedoch ist es nicht richtig, dies pauschal als grün oder umweltfreundlich zu bezeichnen. Im Vergleich zu anderen Reisearten kann es nachhaltiger sein und dennoch ist Vanlife auf vielfältige Art und Weise nicht nachhaltig. Ebenso wie es auch keine nachhaltige Flugreise oder nachhaltige Kreuzfahrt gibt.
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