Umsiedlung - zwischen Bagger und Emotionen
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Der Braunkohleausstieg ist längst beschlossen, dennoch verlieren viele Menschen im Braunkohlerevier im Rheinland ihr Zuhause. Der Energieerzeuger RWE ist verantwortlich für die Durchführung der Umsiedlungen der Ortschaften.
Das Rheinische Braunkohlerevier erstreckt sich über 2.500 Quadratkilometer und ist damit annähernd so groß wie das Saarland. Es umfasst einen Kohlevorrat von 55 Milliarden Tonnen und ist damit die größte Braunkohlelagerstätte Europas. Die Braunkohle wird auf den unteren Sohlen gewonnen. So nennt man die unterste Arbeitsebene des terrassenförmig angelegten Tagebaus. Der Essener Energieerzeuger RWE (Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke) ist verantwortlich für die Erschließung neuer Abbaugebiete und damit Hauptakteur bei der Umsiedlung. Zur Gewinnung von Braunkohle sind Umsiedlungen ganzer Ortschaften erforderlich. Bis heute haben rund 40.000 Menschen ihr Zuhause verlassen müssen. Eine Umsiedlung bedeutet für Betroffene mehr als nur den Hausrat fortzuschaffen. Soziale Gefüge, Traditionen, Gewohnheiten und die Heimat werden zurückgelassen. „Es war unser Zuhause. Man hat sich wohlgefühlt und das ist schon ein sehr, sehr unbeschreiblich unschönes Gefühl“, sagt Albert Kuckertz, Landwirt und Betroffener der Umsiedlung Inden im Jahre 2002.
braune Fläche = derzeitige Betriebsfläche | grüne Fläche = rekultivierte Fläche
weiß/braun schraffierte Fläche = zukünftige Betriebsfläche
rote Stecknadel = alte Ortschaften | blaue Stecknadel = neue Ortschaften
Credit Karte: Thomas Römer/OpenStreetMap data / CC BY-SA 2.0
Credit Animation: Anna-May Alich
RWE sei sich der weitreichenden Folgen für die Betroffenen bewusst und sähe die Sozialverträglichkeit der Umsiedlung, nach eigenen Aussagen, als höchste Priorität. Mittels umfangreicher Erhebungen und Bürgerbefragungen werde vorab die vorhandene soziale Struktur einer Ortschaft erfasst und in die Lösungsfindung eingebettet. Hier setze man auf das Konzept der „gemeinsamen Umsiedlung“. Das bedeutet, dass so viele Einwohner wie möglich zum gleichen Zeitpunkt in die neue Ortschaft ziehen, um die Dorfgemeinschaft im Wesentlichen zu erhalten. „Für uns war da gar keine Möglichkeit hinzuziehen“, erzählt hingegen Kuckertz. „Haupterwerbsbetriebe, wie wir es heute noch sind, waren in Neu-Inden nicht erwünscht. Da sind nur Nebenerwerbsbetriebe hingekommen. RWE wollte den Schwerlasttransport und die eventuelle Tierhaltung nicht in den Wohngegenden haben.“ RWE habe den Haupterwerbsbetrieben die Möglichkeit einer eigenen Suche für einen neuen Wohnort gelassen und die Möglichkeit geboten, an einen durch RWE erschaffenen neuen Standort zu ziehen. „Wir sind hier im Standort zusammengewürfelt aus mehreren Ortschaften. Die Nachbarn kann man hier an ein paar Fingern abzählen und man ist immer an das Auto gebunden.“ Der alte Wohnort habe damals alles gehabt: einen Kindergarten, eine Grundschule, eine Hauptschule, die Regionalversorgung, Einkaufsmöglichkeiten, Kneipen und eine Post. Inden sei ein gewachsener Ort gewesen. „Wir wären heute noch glücklich am alten Standort.“
Neben dem Versuch, die negativen Auswirkungen auf das soziale Gefüge der Betroffenen so gering wie möglich zu halten, gilt es auch die finanziellen Bedürfnisse der Umzusiedelnden zu berücksichtigen. Grundsätzlich halte sich RWE an die geltende Entschädigungsverpflichtung in Höhe des Verkehrswertes eines Grundstückes, berichtet Markus Kummer, Mitarbeiter des Energieerzeugers RWE. Doch: „Damit holt man niemanden von der Scholle.“ Eine Entlohnung einzig nach dem Verkehrswert sei nicht genug, gar unzumutbar für die Betroffenen. Finanzielle Zulagen seien abhängig vom Einzelfall. „Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn wir ein Objekt mit Verkehrswert 300.000 € haben und als Entschädigung 500.000 € zahlen“. Neben den individuellen Entschädigungen gibt es auch andere Leistungen, so würden Vereine direkt finanziell unterstützt. „Viele waren froh, dass RWE kam. Die haben in den letzten Jahren nichts mehr investiert und hatten kleine Häuschen. Die waren froh, dass RWE das Haus gekauft hat und sie Geld bekommen haben, um sich etwas Neues aufzubauen“, sagt Kuckertz.
Ein Umsiedlungsprozess beschäftige einen über Jahrzehnte. Es begleite einen ein Leben lang – positiv wie negativ, beschreibt Kuckertz. „Wenn ich abends im Bett liege, fahre ich gedanklich nochmal durch den Ort. Es ist schön und traurig zugleich.“
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