Gesellschaft

Wo Kunst Geschichte lebendig macht: Ausstellungsmaler im Deutschen Museum

Anna-May Alich
Lesezeit 7 Minuten
Ausstellungsmaler bei seiner Arbeit

Martin Sünder vertieft bei der Arbeit: Mit ruhiger Hand und präzisem Pinselstrich bringt er Farbe ins Detail.

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Anna-May Alich

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Wenn Martin Sünder seinen Pinsel ansetzt, um den Werkstattanzeiger an einer Uhr auszubessern, ist höchste Präzision gefragt. Er muss detailgetreu arbeiten, damit das Modell realitätsnah wirkt. Sünder ist Ausstellungsmaler im Deutschen Museum. Zu seinen Aufgaben gehören die Gestaltung von Kulissen, das Anwenden dekorativer Maltechniken und das Erstellen von Schildern und Beschriftungen. Mit handwerklichem Können und kreativer Gestaltung tragen Ausstellungsmaler dazu bei, Exponate und Ausstellungsflächen in den 6.800 Museen in Deutschland in perfektem Licht erscheinen zu lassen.

 

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Ausstellungsmaler vor einem Whiteboard
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Der Tag beginnt strukturiert: Das Whiteboard in der Werkstatt gibt Martin Sünder und seinem Team einen klaren Überblick über die anstehenden Projekte. „Man weiß sofort, was zu tun ist“, erklärt er. Von hier aus wird entschieden, ob neue Aufträge, wie die Restauration des Schiffs Milwaukee, anstehen oder laufende Arbeiten, wie an dem Bohrschen Atommodell, fortgeführt werden.

 

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Figuren in einem Schaukasten
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„Da, wo Farbe drauf muss, ist Handarbeit gefragt“, erklärt Sünder über dieses Modell aus dem 3-D-Druck. Selbst die Modelle wie dieses, die durch die Arbeit der hauseigenen Modellbauer mit 3-D-Druck entstehen, brauchen oft noch den letzten Feinschliff von ihm und seinem Team. Das gebe ihm die Sicherheit, wie er erklärt, dass sein Beruf ihm auch langfristig Freude bereitet – er glaubt, dass seine Tätigkeit nicht vollständig durch moderne Technologien ersetzt werden kann.

 

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Ein Mann macht ein Foto von einem Modell
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Ein Exponat mit Geschichte: Behutsam untersucht Martin Sünder das Bohrsche Atommodell im Deutschen Museum. „Da oben ist Lack abgeplatzt“, bemerkt er und dokumentiert die Schadstelle. Mit gezielten Pinselstrichen sorgt er dafür, dass Ausstellungsstücke dauerhaft in einwandfreiem Zustand bleiben.

 

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Ein Mann trägt eine Absperrung
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„Die Arbeit findet nicht nur am Schreibtisch statt. Oft werden Exponate auch unmittelbar in der Ausstellung verbessert“, sagt Sünder. Mittels Schildern und Absperrungen schafft er sich dabei einen mobilen Arbeitsraum, so dass er ungestört arbeiten kann, während die Besucher und Besucherinnen weiterhin die Ausstellung durchlaufen können.

 

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Ein Mann bemalt ein Objekt
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Gerade weil er möglichst ungestört arbeitet, bleibt sein Beitrag für die Präsentation und den Erhalt der Museumsausstellungen oft unbemerkt. Selten erfährt er direktes Feedback von den Besuchern und Besucherinnen. Dennoch sei ihm bewusst, dass seine Arbeit im Hintergrund zu einem gelungenen Museumserlebnis beiträgt. „Mein Ziel ist es, den Bildungsauftrag des Museums mit Präzision und Kreativität umzusetzen und so einen bleibenden Eindruck bei den Gästen zu hinterlassen“, so Sünder.

 

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Farbgläser in einer Reihe
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Eine Besonderheit seiner Arbeit sei die Materialwahl, die oft frei erfolgen kann – außer bei Originalexponaten, wo er spezielle Lacke oder Pigmentpulver, wie hier auf dem Foto, verwenden muss, um die Exponate nicht zu beschädigen. „Manchmal muss man recherchieren, welche Materialien am besten geeignet sind, damit die Kunstwerke über die Jahre gut erhalten bleiben“, so Sünder.

 

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Ein Mann am zeichnen
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Martin Sünder schätzt es, dass es in seinem Beruf meist keinen Termindruck gibt. So könne er gründlich arbeiten und sein Handwerk mit Perfektion umsetzen. „Hier im größten naturwissenschaftlichen Museum der Welt haben wir einen Bildungsauftrag. Da steckt viel Recherche dahinter, und es muss einfach passen!“, sagt er über seinen Versuch, realitätsgetreu zu zeichnen. Seine berufliche Zufriedenheit schöpft er vor allem daraus, dass er seiner Fantasie bei der Bewerkstelligung der Projekte freien Lauf lassen kann und regelmäßig vor neue Herausforderungen gestellt wird. „Das ist es, was mir Spaß bei der Arbeit macht“, betont er.

 

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Figuren in einem Regal
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Anders als bei freier Kunst liegt die Herausforderung im Museum, neben der originalgetreuen Abbildung, darin, die historische Genauigkeit zu berücksichtigen und das Publikum auf verständliche Weise zu informieren. Die Arbeit im Museum sei daher anspruchsvoller und vielfältiger als künstlerische Projekte außerhalb des Museums.

 

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Ein Mann bemalt eine Figur
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Zu den wichtigsten Voraussetzungen für seinen Beruf zählt Sünder Kreativität. Diese ist entscheidend, um individuelle Lösungen für die Restauration zu finden. Viele seiner Kollegen und Kolleginnen haben unterschiedliche Berufe erlernt – gelandet sind sie alle an demselben Ort. Durch das unterschiedliche Vorwissen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist die Werkstatt der Ausstellungsmaler reich an Hintergrundwissen. „Alles, was Farbe bekommt, läuft durch unsere Abteilung“, beschreibt er seine vielseitige Tätigkeit. Sünder ist einer von 129.900 gelernten Malern und Lackierern in Deutschland. Doch die Rolle des Ausstellungsmalers ist so selten, dass sie in keiner Statistik erfasst wird und es keine spezifischen Brancheninformationen dazu gibt.

 

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Ein Mann föhnt ein Objekt
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Nicht selten hat die Arbeit an einem Exponat mehrere Arbeitsschritte. Um die Wartezeit auf das Trocknen der Farbe zu verkürzen, kommt ein Föhn zum Einsatz. Was bei kleineren Stücken problemlos möglich ist, macht es bei größeren Stücken schon schwieriger – dort wird die Geduld der Ausstellungsmaler auf die Probe gestellt. 

 

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Ein Mann lehnt an einem Schiff
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Stolz auf ein Herzensprojekt: Die Restauration der Isar, eines historischen Schiffs im Deutschen Museum, nennt Martin Sünder eine seiner liebsten Arbeiten. „Es war etwas ganz Besonderes, dieses Stück Geschichte mit Farbe und Detailarbeit wieder zum Leben zu erwecken“, erzählt er. Die Verbindung dieser handwerklichen Präzision und der Bedeutung dieses Projekts macht diese Arbeit für ihn unvergesslich. 

 

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Ein Mann reinigt ein kleines Objekt
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Der letzte Schliff für Perfektion: Vor der Fertigstellung prüft Martin Sünder jedes Detail mit geschultem Auge. „Alles muss stimmig sein, damit die Besucherinnen und Besucher die Magie der Ausstellung erleben, ohne die Arbeit dahinter zu bemerken“, sagt er. Ihn freut am meisten, wenn die Besucher in eine andere Zeit eintauchen können, ohne die Arbeit dahinter wahrzunehmen.

 

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Anna-May Alich