Mit Hüftschwung durch die Krise

Bereits in den Fünfzigerjahren galt Hula-Hoop als Familiensport. Sogar im Tanz fand der Reifen 1958 große Beachtung. Damals noch aus Holz und seit den Neunzigern im modernen Plastik-Look, schwappte der Trend aus Nordamerika und Großbritannien nach Deutschland über. Heute ist der Hype zurück. Der Hula-Reifen hat einen Platz als modernes Fitnessgerät in der Sportbranche eingenommen.
Online-Kurse machen es während der Krise möglich, ortsunabhängig zu trainieren. Diese Möglichkeit nutzt auch die Mainzer Tanzschule Willius-Senzer. Unter dem Motto „Lass uns doch mal was Neues machen“, beschreibt Emma Hufnagel die Idee, einen Online-Kurs im Hula-Hoop anzubieten. Sie kennt die Reifen noch aus ihrer Jugend und veranstaltet inzwischen regelmäßig die Kurse in der Tanzschule, bei denen bis zu 70 Teilnehmer mitmachen.
Vor allem zu Beginn der Pandemie seien die Kurse gut angenommen worden, sagt Hufnagel. Allerdings sei das Angebot stetig gewachsen, wodurch die Nutzer mittlerweile eine riesige Auswahl hätten. Drei bis vier Mal die Woche hullert sie selbst zu Hause und kann die Effektivität des Trends bestätigen. Besonders die praktikablen Vorteile haben sie begeistert. „Man kann es zu Hause machen, ohne ein großes Sportgerät unterzubringen. Außerdem kann man dazu seine Lieblingsserie schauen oder am Smartphone rumspielen.“ Zwar wäre es ihr lieber, den Leuten gegenüberstehen zu können, doch das ginge erst wieder, wenn die Regelungen es zuließen.

Tanzlehrerin Emma Hufnagel möchte auch anderen den Hula-Trend zeigen.
Auch in den Medien ist das Hullern stark vertreten. Sowohl auf Instagram als auch in Zeitschriften und im Fernsehen nimmt das Interesse seit Beginn der Corona-Krise immer mehr zu. Laut Gesundheits- undFitnessmagazinen schwören auch Stars wie Beyoncé und Michelle Obama auf die Fitnessreifen. In einem Interview von Promiflash gab Kelly Osbourne zum Beispiel bekannt, dass sie mehrere Zentimeter Taillenumfang durch den Trendsport verloren habe. Eine finnische Studie hat gezeigt, dass in kürzester Zeit Veränderungen der Taille und der Rumpfmuskulatur erkennbar sind.

Hula-Hoop-Reifen: Damals aus Holz und heute aus modernen Kunststoff.
Die Diplom Fitness- und Gesundheitstrainerin Marina Hora-Pichlbauer sagt: „Der Reifen ist schon lange nicht mehr nur ein Spielzeug, sondern ein richtiges Trainingsgerät.“ Sie beschreibt das Hullern als Ganzkörpertraining mit besonderem Augenmerk auf die Rumpf- und Bauchmuskulatur. Doch leider gibt es immer wieder Fallstricke in der Beschaffung des richtigen Reifens. „Die Leute wissen gar nicht, was sie ihrem Körper mit dem falschen Reifen antun“, sagt die Österreicherin. Von blauen Flecken über Rippenblutungen bis hin zu Bandscheibenvorfällen habe sie schon alles erlebt. Deshalb hat sie bereits 2016 zusammen mit ihrem Mann Robert begonnen, selbst Reifen herzustellen und zu verkaufen. Mit ihrem Unternehmen „Hoop your body“ hat sie den Hula-Trend in der Corona-Zeit deutlich zu spüren bekommen. Der Absatz ihrer Hula-Hoop-Reifen habe zwar schon oft geboomt, doch nie so stark wie seit Beginn der weltweiten Krise. Zwischen 48€ und 78€ kosten die Reifen bei ihr.

Ein großer Vorteil des Hula-Hoop ist das ortsunabhänige Trainieren.
Die Kölnerin Denise Eschmann hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Sie gründete 2013 ihren Shop „Hula the Hoop“. Auch sie erzählt von verschiedenen gesundheitlichen Aspekten. „Es besteht das Gerücht, dass der Reifen möglichst schwer sein muss, damit die Effektivität größer ist.“ Doch das sei so nicht richtig, sagt Eschmann. Besonders am Anfang sei der richtige Hoop entscheidend. Je größer der Reifen, desto einfacher sei es.
Ihre Leidenschaft für das „Hullern“ fand sie auf einem Festival in Kanada. Dort sah sie Hoop-Dancing-Künstler und war begeistert. Ihr gefällt vor allem der Spaß, den das Hobby mit sich bringt. Die Einfachheit und Vielfältigkeit in Kombination mit der sportlichen Betätigung habe sie zu den Reifen gebracht. Mittlerweile stellt sie „zu Hause im Wohnzimmer“ zahlreiche verschiedene Modelle in Handarbeit her. Dabei werden die Reifen einzeln sorgfältig zusammengesteckt. Die Produktpalette reicht vom klassischen Einsteiger-Reifen bis hin zu beleuchteten LED-Hoops. Die Fitnessreifen kosten bei ihr zwischen 45 Euro und 66 Euro.

Hula-Hoop-Reifen im Wandel der Zeit
Eine gute Freundin von Eschmann ist die Hoop-Dancerin Gunda Kurz, bekannt als Shorty. Sie bietet Kurse, Workshops und Events im Hoop-Dancing an. Für sie ist Hula-Hoop nicht nur ein Fitness-Trend. Hoop-Dance fasst mit seinem ungemein größeren Bewegungsrepertoire seit etwa zehn Jahren Fuß in Deutschland und nicht erst seit der Pandemie. „Natürlich freue ich mich, dass der Hula-Hoop neue Freunde findet. Was ich sehr schade finde, ist die Tatsache, dass Hoop-Fitness all das auslässt, was für mich und andere Hoop-Dancer den Zauber dieser Bewegungskunst ausmacht: Das Tänzerische, das Spielerische, das Zweckfreie, das Artistische, das Entdecken, das Kreative.“
Die bis noch vor kurzem geschlossenen Fitnessstudios, der Sommer und die Einschränkungen der Pandemie haben den Fitness-Boom genährt und die Zielsetzung klar auf die Effektivität für eine „vorzeigbare Figur“ gerichtet. Shorty gehe es nicht darum, „eine bestimmte Anzahl an Kalorien zu verbrennen, auch wenn das als Nebeneffekt von selbst passiert.“ Die Mainzerin genießt vielmehr die Qualität der Bewegung, die Bewegungsmeditation und den Selbstausdruck, der ihr „nur hier möglich ist.“
Trotz verschiedener Anwendungsbereiche und unterschiedlicher Motivationen, beim Hula-Hoop soll vor allem der Spaß im Vordergrund stehen. Und für viele Menschen sind und bleiben die Reifen eine schöne Kindheitserinnerung.
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