Uniform

Das Meer der Vergessenen: Seekriegsopfer der Skagerrak-schlacht

Stefanie Wittwer
Lucca Hahn
Tom Wagner
Lesezeit 6 Minuten
Marinesoldat am Ufer der Kieler Förde
Credit: Stefanie Wittwer
In den Unruhen der Skagerrakschlacht, einer der verlustreichsten Seeschlachten des Ersten Weltkriegs, folgen wir dem Schicksal des Matrosen Johann Kinau. Ein eindringlicher Blick auf die Gezeiten der Geschichte und die Opfer, die sie forderte.
Lesezeit 6 Minuten

Historischer Kontext

Als in den frühen Morgenstunden des 31. Mai 1916 die frische Brise der Nordsee über die Reling der SMS Wiesbaden streicht, steht Johann Kinau – ein einfacher Matrose, der später unter dem Schriftstellernamen „Gorch Fock“ berühmt werden sollte – allein an Deck und blickt hinaus auf die weite See. Der beißende Geruch von Maschinenöl mischt sich mit dem Salz der Luft, erfrischend und erdrückend zugleich. Die Kälte kriecht in jede Ritze seiner Kleidung, doch die Unendlichkeit des Ozeans und das bevorstehende Ereignis halten seine Gedanken gefangen.

So oder so ähnlich könnte sich Johann Kinau damals gefühlt haben, als die Spannung in den Gewässern zwischen Dänemark und Norwegen stieg und die Skagerrakschlacht unmittelbar bevorstand. Sie sollte als eine der größten und verlustreichsten Seegefechte des Ersten Weltkriegs in die Geschichte eingehen. Die britische Grand Fleet, bestehend aus 151 Schiffen unter dem Kommando von Admiral John Jellicoe, und die deutsche Hochseeflotte, mit 99 Schiffen unter Admiral Reinhard Scheer, stehen sich in dieser entscheidenden Auseinandersetzung gegenüber.



In den Morgenstunden des 31. Mai 1916 bestrebt die deutsche Hochseeflotte, einen Teil der überlegenen britischen Grand Fleet zu isolieren und zu vernichten. Sie verlässt Wilhelmshaven und steuert auf die offene See, nahe der dänischen Küste bei Jütland, bekannt unter dem Namen Skagerrak. Die Briten, gewarnt durch die Entschlüsselung deutscher Funksprüche, hatten ihre Schiffe bereits in Stellung gebracht.

Die unendliche Weite des Meeres, gestern noch Symbol der Freiheit, scheint heute Schauplatz eines erbarmungslosen Schauspiels zu sein. Die SMS Wiesbaden ist nur eines von vielen deutschen Schiffen, die den Briten die Stirn bieten wollen.

Verlauf der Skagerrakschlacht 

 

Dr. Jan Witt Credit: Stefanie Wittwer

Dr. Jan Witt


Historiker des deutschen Marinebundes und Experte für europäische Seefahrts- und Marinegeschichte.

Credit: Stefanie Wittwer



Als die ersten Geschosse um 14:48 Uhr durch die HMS Galatea abgefeuert werden, beginnt eine Schlacht, die bis in die frühen Morgenstunden andauern wird. Die Wiesbaden, Teil der II. Aufklärungsgruppe, gerät schnell ins Visier der britischen Schiffe. Ein Volltreffer in den Maschinenraum macht sie manövrierunfähig. Johann findet sich plötzlich in einem Albtraum wieder, in dem Stahl auf Stahl trifft und das Leben am seidenen Faden hängt.

Im Laufe des Tages kommt es zu mehreren schweren Gefechten zwischen den Schlachtkreuzern und den Hauptflotten. Die Stunden vergehen in einem Rausch aus Lärm, Rauch und Feuer. Die Wiesbaden wird zum Spielball des Meeres, hilflos dem Beschuss der britischen Schiffe ausgesetzt. Johann, der seine letzten Stunden erlebt, schreibt nicht mehr. Er kämpft – um sein Leben, um seine Kameraden. Die Hoffnung schwindet mit jedem weiteren Treffer, den das Schiff einsteckt.


Gedenken und Erinnern

Als die Wiesbaden in den frühen Stunden des 1. Juni sinkt, geht Johann Kinau mit ihr unter. Sein Tod ist einer von vielen. Ein einzelnes Opfer in einer Schlacht, die Tausende verschlingt. Doch Johanns Vermächtnis lebt in seinen Werken weiter. In den Zeilen, die er der Nachwelt hinterlassen hat.

Die Verluste sind auf beiden Seiten verheerend: Die britische Flotte verliert 14 Schiffe und 6.107 Seeleute, die deutsche 11 Schiffe und 2.535 Seeleute. Jedes dieser Schiffe trägt hunderte von Geschichten wie die von Johann Kinau in sich, Geschichten von Hoffnung, Angst, Mut und letztlich Opfern.

 


 

Die Skagerrakschlacht endet ohne einen klaren Sieger, doch ihre Nachwirkungen sind tiefgreifend. Sie wird zu einem Symbol für den Mut und die Opferbereitschaft der Seeleute auf beiden Seiten, zum Mahnmal für die Zerstörungskraft des Krieges.

 

Bild
Marinesoldat vor dem Marineehrenmal in Laboe

Das Marine-Ehrenmal in Laboe: Gedenkstätte für die auf See Gebliebenen aller Nationen und zugleich Mahnmal für eine friedliche Seefahrt auf allen Meeren

Credit: Stefanie Wittwer

Heute erinnern zahlreiche Gedenkstätten, Museen und maritime Friedhöfe an die Skagerrakschlacht und ihre Opfer. Im norddeutschen Laboe erinnert das Marineehrenmahl an alle Seeleute, die in den dunklen Gewässern der Nordsee ihr Leben ließen. Johann Kinau, "Gorch Fock", wird besonders in seiner Heimat geehrt, in der Schulen und Straßen nach ihm benannt sind und seine Werke gelesen werden. Seine Poesie, aus der Tiefe menschlicher Erfahrung geboren, ist eine Brücke zwischen den Generationen. Eine ständige Erinnerung an die Kosten des Krieges und die Bedeutung des Friedens.

Die Geschichte der Skagerrakschlacht bleibt ein mahnendes Beispiel für die zerstörerische Kraft des Krieges und die Notwendigkeit, aus der Vergangenheit zu lernen. Johanns Geschichte ist nur eine von vielen, aber sie erinnert uns daran, dass hinter jeder Zahl ein Mensch mit Träumen, Hoffnungen und Mut steht.

Ein Artikel von

Stefanie Wittwer
Lucca Hahn
Tom Wagner