Wenn der Einsatz Spuren hinterlässt
Diesen Diensteid haben deutsche Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit zu leisten. Damit binden sie sich an ihr Land und an das Grundgesetz. Doch so manche(r) erlebt, welche Konsequenzen dieser Diensteid mit sich bringen kann.
In einem Raum mit dunklen, zugezogenen Vorhängen und kahlen Wänden beginnt Inga Schalinski, Psychologin für Traumatherapie, ihre Sitzung. Zu ihr kommen Patienten und Patientinnen, die immer wieder mit Flashbacks, Albträumen und weiteren Trauma-Symptomen zu kämpfen haben. Parallel dazu, in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychotraumatologie im Bundeswehrkrankenhaus Ulm, arbeitet Herbert Jacobs. Er ist Veteran und psychologischer Psychotherapeut, der die Türen für seine Kameraden, die mit den unsichtbaren Narben des Krieges beschäftigt sind, öffnet. Ihre Mission: die Wunden der Seele, verursacht durch posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), zu heilen.
Die Betroffenen schweigen häufig über die entstandenen Auswirkungen – typisch für die Krankheit. PTBS entsteht, wenn Menschen traumatische Ereignisse erleben und nicht verarbeiten können. Die Folgen belasten die Betroffenen physisch sowie psychisch. Vor allem für Soldaten, die auf Übung oder in den Einsatz geschickt werden, ist das Risiko psychisch zu erkranken, hoch.
An dieser Stelle wird ein Inhalt eines externen Anbieters wiedergeben. Dabei werden personenbezogene Daten wie z.B. Ihre IP-Adresse an den Anbieter übermittelt. Der externe Anbieter kann diese auch dazu verwenden, Ihr Nutzungsverhalten mithilfe von Cookies oder anderen Tracking-Technologien zu Marktforschungs- und Marketingzwecken zu analysieren.
Die Übermittlung Ihrer Daten an den externen Anbieter wird so lange verhindert, bis Sie aktiv auf diesen Hinweis klicken. Technisch gesehen wird der Inhalt erst nach dem Klick eingebunden.
Im Jahr 2010 wurden mit 729 Fällen die meisten PTBS-Diagnosen gestellt, ebenfalls bei den anderen psychischen Erkrankungen mit 368 Fällen. Dies ist auf den Afghanistan-Einsatz zurückzuführen. 2010 war das Jahr, in dem die Bundeswehr mit 120 Feindkontakten die meisten Gefechte in ihrer Geschichte hatte. Das erste und wohl bekannteste war das Karfreitagsgefecht am 2. April 2010. 2014 und 2015 steigen die PTBS-Fälle kurz wieder an, gehen dann aber wieder leicht zurück. Ein Grund dafür war die Umstrukturierung des Afghanistan-Einsatzes zu einer Ausbildungsmission: Deutsche Soldaten bildeten afghanische Polizei- und Armeekräfte aus, um die Sicherheit im Land zu gewährleisten. So war die Bundeswehr wenig bis gar nicht in Gefechte verwickelt. Ab 2018 ist wieder ein leichter Anstieg der PTBS-Fälle zu verzeichnen. Der Auslöser hierfür war die Ausweitung des Mali Einsatzes.
Insgesamt ist die Diagnose anderer psychischer Störungen zurückgegangen. Bessere Unterstützungs- und Präventionsprogramme der Bundeswehr könnten dabei eine Rolle spielen. Um Betroffene und die Familie zu unterstützen, bietet die Bundeswehr unter anderem Seminare an. Dort werden Tipps und Techniken weitergegeben, die dabei helfen ein erfülltes Familienleben zu führen.
Schalinski erklärt, dass sich PTBS durch eine Reihe von Symptomen erkennen lässt. Darunter fallen zum Beispiel Flashbacks. "Also es kann sein, dass die Personen Bilder vor Augen sehen oder hören, zum Beispiel Schussgeräusche, obwohl die nicht vorhanden sind", erklärt die Psychologin. Auch Albträume, anhaltende Angst sowie eine erhöhte Reizbarkeit können auftreten. Diese Anzeichen schränken den Alltag der Betroffenen oft erheblich ein. Weil die Symptome so vielfältig sind und je nach Betroffenem unterschiedlich auftreten, ist es schwierig mit der Krankheit umzugehen und diese zu behandeln. Außerdem werden Betroffene oft nicht verstanden oder missverstanden von der Gesellschaft. Freunde und Familie wissen häufig gar nicht, wie sie unterstützen sollen. Und es hilft, darüber zu sprechen, aber solch ein Ereignis ist für die meisten nicht in Worte zu fassen. Also es ist eine Mischung aus beidem, sehr gutes Erinnern, sehr lebendig für die Menschen natürlich und sehr, sehr präsent, was da passiert ist. Aber auf der anderen Seite nicht wirklich greifbar oder auch erzählbar", betont Schalinski. Diese Gespräche können zur Heilung beitragen. Allerdings zeigt die Realität, dass viele Betroffene unter anderem aus Angst vor Verurteilung schweigen – oder weil die Erinnerungen zu schmerzhaft sind. Dieses Schweigen ist ein enormes Hindernis für die Genesung, da es die Verarbeitung des Erlebten verhindert.
"Es ist ein ständiger Kampf gegen unsichtbare Feinde – Erinnerungen, die einen nicht loslassen", sagt Jacobs. Er leitet die klinische Psychologie im Bundeswehrkrankenhaus Ulm und ist zuständig für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychotraumatologie. Auf seiner Station befinden sich hauptsächlich Einsatz-Traumatisierte.
An dieser Stelle wird ein Inhalt eines externen Anbieters wiedergeben. Dabei werden personenbezogene Daten wie z.B. Ihre IP-Adresse an den Anbieter übermittelt. Der externe Anbieter kann diese auch dazu verwenden, Ihr Nutzungsverhalten mithilfe von Cookies oder anderen Tracking-Technologien zu Marktforschungs- und Marketingzwecken zu analysieren.
Die Übermittlung Ihrer Daten an den externen Anbieter wird so lange verhindert, bis Sie aktiv auf diesen Hinweis klicken. Technisch gesehen wird der Inhalt erst nach dem Klick eingebunden.
Im Jahr 2010 wurden Höchstwerte erreicht: ISAF (International Security Assistance Force, Afghanistan) mit 557 Fällen, andere Einsätze mit 129 und KFOR (Kosovo Force, Kosovo) mit 43 Neuerkrankungen. Danach fielen die ISAF-Fälle wegen einer Beruhigung der Lage stark ab, während KFOR und andere Einsätze weniger ausgeprägte Rückgänge zeigten. Die Daten von 2018 bis 2020 wurden im Rahmen unserer Recherche trotz mehrmaliger Anfrage nicht zur Veröffentlichung ausgehändigt.
Die Arbeit von Jacobs macht deutlich, wie entscheidend es ist, die individuellen Bedürfnisse jedes Betroffenen zu berücksichtigen. Er betont, wie wichtig sogenannte Peer-Support-Gruppen und therapeutische Programme sind. Diese beschäftigen sich hauptsächlich mit Erfahrungen von Soldaten. Seine Erkenntnisse verdeutlichen, dass die Anerkennung der Problematik durch das Militär und die Gesellschaft eine grundlegende Rolle bei der Überwindung von PTBS spielt. Er betont, dass viele Betroffene nur durch äußeren Druck wie Familie zur Behandlung motiviert werden und selten aus eigener Erkenntnis heraus Hilfe suchen.
Beide Experten sind sich einig, dass ein gesellschaftlicher Wandel notwendig ist, um die Wahrnehmung und den Umgang mit PTBS zu verbessern. Ein offenes Ohr ist hilfreich, damit die Betroffenen keine Scheu zeigen müssen, um darüber zu sprechen. Nach Ende eines solchen Therapiegespräches, schließt sich die Tür und das Erzählte des Betroffenen bleibt unter Verschluss und in der Leere des Raumes zurück.
Tod im Einsatz
Während die einen mit den traumatischen Folgen des Einsatzes zu kämpfen haben, kommen andere Soldatinnen und Soldaten nicht mehr lebend zurück.
An dieser Stelle wird ein Inhalt eines externen Anbieters wiedergeben. Dabei werden personenbezogene Daten wie z.B. Ihre IP-Adresse an den Anbieter übermittelt. Der externe Anbieter kann diese auch dazu verwenden, Ihr Nutzungsverhalten mithilfe von Cookies oder anderen Tracking-Technologien zu Marktforschungs- und Marketingzwecken zu analysieren.
Die Übermittlung Ihrer Daten an den externen Anbieter wird so lange verhindert, bis Sie aktiv auf diesen Hinweis klicken. Technisch gesehen wird der Inhalt erst nach dem Klick eingebunden.
Die Bundeswehr verzeichnete 1993 mit der Entsendung von Soldaten nach Kambodscha den ersten Todesfall im Einsatz. Ein Anstieg erfolgte Ende der 1990er bis in die frühen 2000er Jahre. In diesem Zeitraum war die Bundeswehr hauptsächlich in Bosnien und im Kosovo aktiv. Elf Soldaten und Soldatinnen starben im Jahr 2002. Im selben Jahr startete der Afghanistan-Einsatz, in dem die meisten Angehörigen der Streitkräfte gefallen sind. 2003 starben dort vier Soldaten durch einen Selbstmord-Anschlag.
Ein weiterer Anstieg wurde zwischen 2007 und 2011 verzeichnet. In diesem Zeitraum gerieten deutsche Soldaten vermehrt ins Visier in Afghanistan. Im Jahr 2010 wurden mit einer Zahl von circa 120 die meisten Feindkontakte verzeichnet, acht Soldaten kamen ums Leben. Seitdem ist ein deutlicher Rückgang der Todeszahlen zu verzeichnen. Seit 2017 wurden keine Gefallenen mehr gemeldet. Im Jahr 2021 zog die Bundeswehr vollständig aus dem Land ab.
An dieser Stelle wird ein Inhalt eines externen Anbieters wiedergeben. Dabei werden personenbezogene Daten wie z.B. Ihre IP-Adresse an den Anbieter übermittelt. Der externe Anbieter kann diese auch dazu verwenden, Ihr Nutzungsverhalten mithilfe von Cookies oder anderen Tracking-Technologien zu Marktforschungs- und Marketingzwecken zu analysieren.
Die Übermittlung Ihrer Daten an den externen Anbieter wird so lange verhindert, bis Sie aktiv auf diesen Hinweis klicken. Technisch gesehen wird der Inhalt erst nach dem Klick eingebunden.
Die Bundeswehr hat verschiedene Gedenkstätten und Denkmäler errichtet, um an die verstorbenen Soldaten zu erinnern. Das bekannteste Denkmal ist das Ehrendenkmal der Bundeswehr in Berlin, am Bundesministerium der Verteidigung. Es gedenkt der rund 3.400 militärischen und zivilen Bundeswehrangehörigen, die im Dienst ihr Leben ließen. Die Gesamtzahl ist wesentlich höher als die der Gefallenen, weil dazu auch Unfälle, Suizide und andere Todesfälle zählen.
Viele andere, die den Diensteid geleistet haben, kehren zwar lebend zurück - aber verletzt oder psychisch belastet. Zahlen zu denen, die körperliche Schäden davontragen, liegen nicht vor. Diese müssen "für die Auftragserfüllung zur Versorgung Betroffener nicht notwendigerweise als kongruente und auswertbare Datensätze vorgehalten werden", so das Bundesministerium der Verteidigung.
Die volle Konsequenz des Diensteides, "das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen", lässt sich also nicht nachvollziehen.
Multimedia-Story: Einsatz in Bosnien
Am 30. Juni 1995 beschloss der Deutsche Bundestag erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg, deutsche Soldaten in einen bewaffneten Einsatz zu schicken - zur Unterstützung einer multinationalen Eingreiftruppe in Bosnien. Damals begann der längste Auslandseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr, mit wechselnden Mandaten.
Daniel Zawadzky war in Sarajevo stationiert. Der Einsatz blieb für ihn nicht ohne Folgen. Duncan Sanders hat ihn zum Interview getroffen.
HINWEIS:
Wer den Verdacht hat, an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu leiden, kann in einem ersten Schritt online einen Test machen.
Ein Artikel von