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Der Volksbund vor schwierigen Zeiten

Sebastian Schmidt
Patrick Fein
Nils Pötzl
Lesezeit 10 Minuten
Grabsteine einer Kriegsgräberstätte
Credit: Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge
Im Herbst 2023 hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. den millionsten Kriegstoten geborgen. Trotz dieser eindrücklichen Nachricht büßt der Volksbund an öffentlicher Aufmerksamkeit ein und steht vor großen Herausforderungen.
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„Weitere Angriffstage. Schöne, warme Sommertage, aber während der Nächte bis zu -1°Kälte. Der Sommer ist vorüber und der kurze Herbst beginnt. Heute Brief von Thekla und Joachim.“ Dies waren die letzten Worte, die der Unteroffizier Wolfgang Buff in sein Kriegstagebuch schrieb. Er starb am 1. September 1942 in der Schlacht um Leningrad, mutmaßlich als er einem schwer verwundeten russischen Soldaten helfen wollte. Dass wir heute seine Aufzeichnungen lesen können, ist auch der Arbeit des „Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge e. V.“ zu verdanken, denn er hat das Tagebuch veröffentlicht. Aber was genau ist der Volksbund?

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. ist eine humanitäre Organisation. Er birgt Kriegstote der Weltkriege im Ausland, ermöglicht ihnen eine angemessene Bestattung und pflegt die Kriegsgräber. Des Weiteren berät er öffentliche und private Stellen im In- und Ausland in Bezug auf die Kriegsgräberfürsorge. Seine Arbeit wird hauptsächlich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanziert. Im Jahr 2022 zählte der Volksbund knapp 70.000 Mitglieder. Auch ehrenamtliche Helfer unterstützen ihn bei seiner Arbeit durch Spendensammlungen. Er pflegt etwa 830 Stätten in 46 Ländern mit mehr als 2,8 Millionen Kriegstoten. Auch auf Kriegsgefangenenfriedhöfen engagiere er sich, um den Opfern der Gewaltherrschaft ein “würdiges Gedenken zu schaffen”, wie der Website zu entnehmen ist. 12.000 Kriegsgräberstätten mit mehr als 1,8 Millionen Toten aus den beiden Weltkriegen befinden sich allein auf deutschem Boden. Zuletzt machte er Schlagzeilen, als er im Herbst 2023 in Litauen den millionsten Kriegstoten seit 1992 geborgen hat.

Neben der Pflege von Kriegsgräbern betreibt der Volksbund auch Informations- und Jugendarbeit. So sagte die stellvertretende Landrätin des Landkreises München, Annette Ganssmüller-Maluche, bei einer Ehrungsveranstaltung für Sammlerinnen und Sammlern, der Volksbund sei wichtig für die Bewahrung des historischen Erbes, habe eine wichtige Rolle bei der Bewältigung des Verlustes und trage einen wichtigen Teil zur internationalen Versöhnung bei. Der Volksbund richtet ebenso internationale Jugendcamps aus. Dabei pflegen Jugendliche aus 12 bis 20 Nationen Gedenkstätten und kommen in Kontakt miteinander.

 

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Zu sehen ist Michael Czernoch mit 3 weiteren Personen, wie er eine Ehrenurkunde in der Hand hält.

Im Zuge der Ehrung wurde dem Hauptgefreiten (d.R.) Michael Czernoch die bronzene Ehrenspange des Volksbundes verliehen.

Credit: Fein

Doch steht der Volksbund vor schwierigen Zeiten. So sind die Ausgrabung, Identifizierung und würdevolle Bestattung der Kriegstoten durch den anhaltenden Krieg in der Ukraine erschwert. Denn es sei problematisch, „dass die Schützengräben, die jetzt ausgegraben werden, Schützengräben von damals freilegen“, so die Geschäftsführerin des Bezirksverbands München, Stephanie Ritter. Gebeine aus diesen Stellungen könnten aufgrund der noch andauernden Gefechte nicht geborgen werden. Außerdem würden sie durch das Ausheben neuer Stellungen weiter verteilt werden.

 

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Zudem stelle der demographische Wandel ein ernstzunehmendes Problem dar. Die Mitgliederzahlen in den letzten Jahren schwanken stark, vor allem aber werden sie kleiner. Im Landesverband Bayern sanken sie ab 2021 von knapp 20.500 auf 18.400 im Jahr 2023. „Man kann grob sagen, dass wir Schwund von so fünf Prozent jedes Jahr zu verzeichnen haben.“ so Ritter. „Das Interesse am Volksbund und an der Institution selbst, an der Arbeit mit und für uns wird geringer."

 

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Vor allem durch öffentliche Veranstaltungen versucht der Volksbund auf sich aufmerksam zu machen. So lädt er zu öffentliche Konzerten und Benefizveranstaltungen ein, dieses Jahr in Zusammenarbeit mit dem Musikkorps der Bundeswehr. Ein Highlight sei dabei ein Konzert auf dem Marienplatz. So blieben Menschen stehen und ließen sich mit einbeziehen, sagt Ritter. Wichtig sei „auf Menschen zugehen, Menschen anzusprechen, da zu sein.“

„Es ist ganz interessant, wie oft man auch auf ganz positives Gehör stößt und Interesse weckt.“ Jedoch sei der Name Volksbund nicht nur positiv besetzt. So gäbe es Menschen, die den Volksbund aufgrund des Namens „in eine Ecke stellen, wo wir nicht hingehören und nicht herkommen“, stellt Ritter klar. Auch dafür sei Öffentlichkeits- und Informationsarbeit wichtig.

Dazu tragen auch die jährlichen Spendensammlungen bei. Viele Menschen kennen die Sammler ihrer Gemeinden schon länger. „Die Leute erwarten auch zu Allerheiligen, zum Volkstrauertag die Personen, die sie schon kennen.“ Wichtig seien die Spendensammlungen jedoch nicht nur für die Öffentlichkeitswirksamkeit. Die Kosten, die dem Volksbund für z. B. Benefizveranstaltungen entstehen, müssen auch wieder eingenommen werden.

 

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Zu sehen sind 2 Frauen, welche einen Spendenscheck in Höhe von 52.291,72€ in den Händen halten.

Die symbolische Übergabe der Spendenerlöse der Sammlungen im Landkreis München durch die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche (li.) an Stephanie Ritter (re.).

Credit: Fein

Einer dieser Sammler ist der zweite Vorsitzende der „Krieger- und Soldatenkameradschaft Hohenbrunn“, Jürgen Zahnd. Er selbst habe einen Großvater, dessen Grab noch nicht gefunden wurde, hoffe aber, dass dies noch geschehe. Im letzten Jahr hat er als einer von insgesamt 231 Sammlerinnen und Sammlern 103.073,00€ in der Stadt und im Landkreis München gesammelt. Höchstwert seit 2009.

Die große Spendenbereitschaft lässt sich auch im bundesweiten Vergleich nachvollziehen. Im Durchschnitt nimmt der Volksbund jährlich durch Spendensammlungen, allgemeine Spenden (Internet und per Überweisung) und Spenden durch Mitglieder, ca. 17,8 Millionen Euro ein. Diese Spendenbereitschaft hat sich trotz der Corona-Pandemie sogar noch verstärkt. Im Jahr 2020 nahm der Volksbund durch Sammlungen wegen der Kontaktbeschränkungen zwar im Vergleich nur etwa die Hälfte der Vorjahre ein, dafür stiegen die allgemeinen Spenden in diesem Jahr um über drei Millionen Euro.

 

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Wie Zahnd haben viele Angehörige der im Zweiten Weltkrieg Gefallenen nie die Möglichkeit gehabt, sich von ihren Verwandten zu verabschieden. So berichtet Ritter von einer Frau, die mittlerweile 85 Jahre alt ist, ihren Vater aber durch den Krieg nie kennenlernen konnte. Sie habe insgesamt ein gutes Leben geführt, sei emotional aber sehr betroffen, dass sie ihn nie habe kennenlernen können und wünsche das Grab ihres Vaters zu ihrem Lebensende in der Normandie zu besuchen. „Das versuchen wir dieses Jahr umzusetzen. Wir wollen zum 80-Jahre D-Day in die Normandie fahren und ich möchte gerne Frau B. mitnehmen, dass sie noch einmal ihren Vater besuchen kann.“

Noch immer sind viele der Gefallenen nicht gefunden und würdevoll bestattet. Anders ist das bei Wolfgang Buff. Er ist heute auf dem größten deutschen Soldatenfriedhof in St. Petersburg/Sologubowka begraben. Mit ihm fanden dort 80.000 Soldaten ihre letzte Ruhestätte. Sein „Kriegstagebuch Ost“ wurde anlässlich der Einweihung im September 2000 veröffentlicht. So hofft sein Bruder Joachim, wie im Vorwort nachzulesen ist, dass dies als „Zeugnis für Frieden und Versöhnung durch Herausgabe eines Abdruckes in deutscher und russischer Sprache künftigen Generationen hüben und drüben erhalten bleibt.“

Ein Artikel von

Sebastian Schmidt
Patrick Fein
Nils Pötzl