Grüne Gentechnik – Zukunft der Landwirtschaft?
Es ist eine wahre Fummelarbeit, die Embryonen aus den unreifen Gerstenkörnern zu entnehmen. Dafür wird ein spezielles, dreidimensionales Mikroskop benötigt - und eine sehr ruhige Hand. Doch diese Embryonen stellen die Basis für die weitere Forschungsarbeit dar. Mit Hilfe von Agrobakterien werden später gezielt Gene in den DNA-Strang der Pflanze eingefügt. Nach circa drei Monaten der Kultivierung in einer kontrollierten Umgebung, in der die jungen Pflanzen heranwachsen, folgt die Umsiedlung in eines der Gewächshäuser. Dort reift die Gerste weiter, bis die Ernte ansteht und die Samen für die weitere Forschung untersucht werden können.
Ein Prozess, der so unglaublich kompliziert klingt und am Ende doch nur dazu dient, ein kleines Pflänzchen im Labor heranzüchten. Der Ort des Geschehens ist das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben, nahe Magdeburg. Das IPK ist eines der wenigen Labore in Deutschland, das aktiv gentechnisch veränderte Pflanzen zu Forschungszwecken heranzüchtet. “Wir arbeiten allen voran mit Gerste, Weizen, Mais und Leindotter", erklärt Robert Hoffie, Biotechnologe und Mitarbeiter am IPK. “Meistens besteht unsere Aufgabe darin, Genfunktionen aufzuklären", so der Forscher. "Aber da wir hauptsächlich mit Kulturpflanzen arbeiten, geht es natürlich auch oft um landwirtschaftlich interessante Eigenschaften wie zum Beispiel Virus- und Pilzresitenzen oder veränderte Pflanzeninhaltsstoffe.” Hierfür wird die 2012 entdeckte Technik der Genom-Editierung genutzt. Im Unterschied zu älteren gentechnischen Verfahren kann hier die Position des zu verändernden Genes gezielt vorhergesagt werden.
Doch die Verbraucher stehen mit der Gentechnik auf Kriegsfuß: Vier von fünf Deutschen lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab, wie 2019 aus der sechsten Naturbewusstseinsstudie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit hervorging. Doch geht von gentechnisch veränderten Pflanzen tatsächlich eine Gefahr aus? “Nein”, sagt Hoffie. “Wir wissen heute, dass die gentechnischen Veränderungen, die in den 60ern durchgeführt wurden und die heute im Genmaterial der meisten Kulturpflanzen vorkommen, ungefährlich sind“, so der Wissenschaftler. „Dank der Genom-Editierung können wir inzwischen genau vorhersagen, wo wir die Veränderungen machen und können überprüfen, ob diese auch so erfolgt sind. Das heißt nicht, dass hierbei nichts Unerwartetes passieren kann. Das ist allerdings in der klassischen Pflanzenzüchtung auch der Fall.“
"Die Sauberkeit der Äcker erreiche ich weder mit Gentechnik noch mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmittel"
Ein weiterer Punkt, wegen dem gentechnisch veränderte Pflanzen politisch und gesellschaftlich in einem schlechten Licht stehen, ist die Frage, ob die Pflanzen ein Risiko für die Umwelt oder für das Ökosystem darstellen können. “Wir haben über die Jahrtausende bereits zahlreiche Eigenschaften bei Kulturpflanzen weggezüchtet, sodass die heutigen Vertreter der Arten ähnlich wie Haustiere auf den Menschen angewiesen sind“, sagt Hoffie. „Ganz wichtig ist der Punkt, dass wir sie aussäen müssen. Bei Weizen oder Gerste bleibt die Ähre stabil. Dadurch können sich die Samen nicht mehr von selbst verbreiten, wie das bei den Urformen der verschiedenen Getreidesorten der Fall war.“ Dadurch sei das Risiko, dem Ökosystem mit Gentechnik etwas Gefährliches anzutun, sehr gering.
Der Bio-Landwirt Klaus Katzenbogen aus Ingolstadt ist hingegen anderer Meinung. „Einerseits finde ich es nicht gut, wenn wir in das Erbgut der Pflanzen eingreifen und andererseits geraten wir damit immer mehr in die Abhängigkeit von der Landwirtschaftsindustrie. Und man kann dann halt nichts mehr anbauen, außer das, was die wollen“, klagt er. „Die Sauberkeit der Äcker erreiche ich weder mit Gentechnik noch mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmittel, sondern nur mit der Fruchtfolge.“ Unter der Fruchtfolge versteht man die zeitliche Abfolge, in der die Pflanzen auf dem Feld angebaut werden. Durch diesen ständigen Wechsel hat der Boden die Möglichkeit sich zu erholen.
Aktuell ist die gentechnische Forschung innerhalb der EU überschaubar. Vor allem aufgrund der im internationalen Vergleich sehr strengen Gesetze in Europa. So ist die Handhabung in Argentinien oder in den USA zum Beispiel wie folgt: Pflanzen fallen nur dann unter die Regularien für gentechnisch veränderte Organismen, wenn in das Genmaterial der Pflanze Gene einer fremden Spezies eingefügt wurden. Handelt es sich um Gene der gleichen Art oder eines nahen Verwandten, unterliegt der Anbau deutlich weniger restriktiven Gesetzen. Der Grund hierfür ist, dass eine Kreuzung mit den Genen von Artverwandten auch über die klassischen Prozesse der Pflanzenzüchtung möglich wäre. Nur sind bei der Züchtung deutlich mehr Generationen und somit ein wesentlich höherer Zeitaufwand von Nöten als bei der Anwendung von Gentechnik. In der EU wird zwischen den Arten der gentechnischen Veränderung nicht unterschieden. Wurde Gentechnik angewandt, muss die Pflanze die Gentechnikregulierungen durchlaufen. Auch, wenn das gleiche Ergebnis über Zuchtmethoden hätte erfolgen können. ”Dies ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar", so Hoffie. "Man reguliert Pflanzen mit identischen Eigenschaften unterschiedlich, je nach Methode, mit der sie gezüchtet wurden.” Bisher wurden in Europa nur drei Anträge auf Anbauzulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen gestellt. Alle drei wurden genehmigt. Angebaut wird davon nur die gegen bestimmte Schädlinge immune Maissorte MON 810. In Deutschland ist die Kultivierung dieser Maissorte verboten, allerdings ist der Import erlaubt. Die EU möchte im Sommer neu über die aktuelle Gesetzeslage beraten. Ob es zu einer Anpassung des Gentechnikrechts kommt, bleibt offen.
Von alledem möchte der Landwirt Katzenbogen nichts wissen: „Für mich ist die Gentechnik nur so eine Mode. Ich glaube nicht, dass das eine Zukunft hat. Zumindest bei uns nicht.“ Am meisten Angst habe er davor, dass er bei einer eventuellen Lockerung des Gentechnikrechts nur noch gentechnisch verändertes Saatgut auf dem Markt kaufen könne. „Wir arbeiten hier im Grunde noch genauso wie damals, als ich vor 35 Jahren bei meinem Vater angefangen habe“, so der Landwirt, „Hauptsächlich mit der Hacke und der Haue.“
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