Der Biohof als Blaupause für die Zukunft
Idylle - Mit diesem Begriff lassen sich die Herrmannsdorfer Landwerkstätten in der oberbayerischen Gemeinde Glonn wohl am besten beschreiben. Zwischen den sanften Hügeln der Voralpen liegt der Weiler eingebettet in einer Wald- und Wiesenlandschaft. Auf dem Hof angekommen, erfolgt die erste Begrüßung in Form lauten Grunzens kleiner Ferkel, die hier in Freiluftzucht gehalten werden. Und so wie es hier aussieht, riecht es auch: der nur allzu typische und durchdringende Duft von Dung und Heu, der an der Kleidung kleben bleibt. Klassische Landluft - so würden Romantiker das penetrante Odeur wohl nennen. Der Bio-Bauernhof wirkt fast wie eine eigene Ortschaft: ein Bäcker, ein Biergarten mit Wirtshaus, sogar einen Spielplatz gibt es.
Die Fassade des Herrmannsdorfer Hofladens.
Mit ihren 35 Jahren führt Sophie Schweisfurth die Landwerkstätten bereits in der dritten Generation. Gelernt und aufgewachsen auf dem Hof, hat sie sich danach entschieden, Betriebswirtschaft zu studieren. Einige Jahre später übernimmt sie die unternehmerische Leitung des Hofes. Damit tritt sie in die Fußstapfen ihres Großvaters Karl Ludwig Schweisfurth, der den Grundstein der Herrmannsdorfer Landwerkstätten legte. Nach dem Verkauf seines Unternehmens, dem Fleischwarenhersteller Herta, an Nestlé, kehrt er der industriellen Landwirtschaft den Rücken. "Wir müssen zusammenbringen, was die Industrie getrennt hat", zitiert Schweisfurth ihren Großvater. Es folgt 1986 die Gründung der Hermannsdorfer Landwerkstätten. Nur aus einem guten Leben könne ein gutes Lebensmittel entstehen, sagt Schweisfurth. Nach diesem Leitmotiv richtet sich die Arbeit der Landwerkstätten bis heute. Der ethische Aspekt, euber artgerechten Haltung, soll mit der Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen.
Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes betrug der Schweinebestand in Deutschland rund 26 Millionen Schweine im Jahr 2020. Davon leben 212.000 Schweine in Bio-Haltung. Die EU-Richtlinie schreibt eine Mindestfläche von 1,5 Quadratmetern pro Schwein vor. Dabei betont Schweisfurth, man übertreffe diese Standards: "Die Tiere müssen raus, sie müssen sich bewegen, dann gibt es auch besseres Fleisch." Außerdem setzt die Landwerkstätten auf eigenständig ausgebildetes Personal. Die gesamte Wertschöpfungskette der Fleischproduktion hat ihren Austragungsort in Herrmannsdorf. "Es kommen viele helfende Hände dazu, aber bei uns hat jeder, der am Tisch steht, eine Ausbildung", erzählt Schweisfurth. Man schlachte, verarbeite, produziere und vertreibe selbst, fügt sie hinzu.
Geschäftsführerin Sophie Schweisfurth
Die Geschäftsleitung unter Sophie Schweisfurth ist stolz auf das, was die dritte Generation ihrer Familie erreicht hat. Ihre Vision vom Leben auf dem Land, vom achtsamen Umgang mit den Tieren und der Natur - in Hermannsdorf sollen dies keine Lippenbekenntnisse sein. Auch deshalb erfreuen sich die Produkte der Hermannsdorfer Landwerkstätten einer wachsenden Beliebtheit – auch überregional. Und doch erhebt sich vor dem Hintergrund des idyllischen Landlebens eine entscheidende Frage: Ist dieses Modell reproduzierbar und zukunftsfähig? Oder ist es das Ergebnis einer einzigartigen Konstellation von günstigen Bedingungen und der idealen Ausgangslage?
Mitarbeiterin hinter Frischetheke des Hofladens in Hermannsdorf.
Laut Schweisfurth verdankt das Unternehmen seinen Erfolg unter anderem den günstigen Ausgangsbedingungen. Der Verkauf an Nestlé legte damals den finanziellen Grundstein für die Gründung. Diese "Goldsäcke im Keller" ermöglichten den Vorstoß in eine damals unangetastete Marktlücke, erzählt sie. Auch die zahlreichen Nebengeschäfte in Herrmannsdorf sorgen für Stabilität. Es gibt Workshops, eine Kaffeerösterei, das Wirtshaus und sogar einen Picknick-Service. Die Konstellation aus diesen Nebengeschäften und den Rücklagen halten die Landwerkstätten über Wasser.
Florian Zabel ist Privatdozent an der Fakultät für Geowissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er sieht die globale Reproduzierbarkeit des Herrmannsdorfer Modells kritisch. Steigende Bevölkerungszahlen, gesteckte Klimaziele und sich abzeichnende Ernährungsdefizite seien Herausforderungen. Einzelne Aspekte der Landwerkstätten ließen sich zwar reproduzieren, aber kaum skalieren. Trotz aller Bemühungen würden nach wie vor relativ große Landflächen benötigt, auch der Wasserverbrauch und Methanausstoß bliebe hoch. Die Konsequenzen seien steigende Kosten für Produzenten und Verbraucher bei geringerem Ertrag.
Der Schweine-Maststall des Hermannsdorfer-Biohofs.
Abhilfe dabei schaffen könnten allerdings moderne Verfahren wie das „Vertical Farming“ oder „Precision Agriculture“. Beide würden den Wasserverbrauch sowie den Flächenbedarf reduzieren. Damit könne man nicht nur Pflanzen, sondern auch Tierfutter anbauen und nutzen, so der Experte.
Zabel betont, dass eine Kombination aus mehreren Ansätzen wohl die beste und langfristigste Lösung des Problems sei - allerdings liege die Verantwortung dafür insbesondere bei der Politik. Die Lösungsansätze seien bekannt, man müsse sie nur noch umsetzen.
Lässt sich das Konzept der Herrmannsdorfer Landwerkstätten gleichermaßen von anderen Landwirten übernehmen? Am Ende liegen die Faktoren beim richtigen Zeitpunkt, gut eingesetzten Rücklagen und dem richtigen Standort. Lassen sich Teile des Projekts übernehmen und umsetzen? Der Experte sagt ja – tatsächlich gäbe es weltweit bereits Ansätze, die sich als Alternative zur industriellen Landwirtschaft etabliert haben. Allerdings seien solche Ansätze noch nicht in großem Umfang verbreitet. Ein möglicher zukunftsweisender Schritt sei das Zusammenfügen von „back to the roots“-Ansätzen und moderner Technologie – insbesondere angesichts aufkommender Herausforderungen wie dem Klimawandel.
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