Wirtschaft

Maskenball im Wirtshaus

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Fassanstich
Foto: Janik Hölzer
Die Coronakrise macht der Gastronomie-Branche schwer zu schaffen. Für viele Betriebe ist es ein Kampf ums Überleben. Der Wirt des Augustiner-Kellers, Christian Vogler, und Gasthofbesitzer Stefan Kastner in München haben Konzepte entwickelt, um ihre Zukunft trotz Krise und Lockdown zu sichern.
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Oktober 2020. Wer in den Münchner Augustiner-Keller will, muss sich erst seinen Weg durch einen Schilderwald von Warnhinweisen bahnen: Maskenpflicht, Hände desinfizieren, Sicherheitsabstand einhalten. Der reguläre Eingang ist abgesperrt. Statt Schweinsbraten-Duft liegt der Geruch von Sterilium in der Luft. Doch das schreckt die vielen Stammgäste des Augustiner-Kellers nicht ab. Im Gegenteil: Sie nehmen die augenscheinlichen Strapazen mit typisch bayerischer Gelassenheit. Auch die Atmosphäre wirkt gewohnt urig. Augustiner-Wirt Christian Vogler, in Tracht und passendem Mundschutz mit Firmenlogo, lässt es sich daher nicht nehmen, seine Runden durch den Biergarten zu drehen. Hier sucht er stets den Kontakt zu seinen Gästen. Natürlich unter Einhaltung der Abstandsregeln.

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Wirt Christian Vogler (Augustiner Keller) beim traditionellen Fassanstich in der Coronazeit. Credit: Janik Hölzer
Wirt Christian Vogler (Augustiner Keller) beim traditionellen Fassanstich in der Coronazeit. Credit: Janik Hölzer

Im Sommer konnten von den 6.000 verfügbaren Sitzplätzen im Biergarten nur 40 Prozent belegt werden. Nach der Wiedereröffnung am 18. Mai herrschte deshalb zwar nicht gerade Hochkonjunktur, aber angesichts der Umstände wurden trotzdem fleißig Weißbier und Essen serviert. Vogler gibt sich optimistisch: „In jeder Krise steckt auch eine Chance, es wird mit Sicherheit kein Rekordjahr, aber jetzt kann man ein paar Ideen entwickeln, die wir dann die nächsten Jahre nutzen können.“ Das Hygienekonzept für die Wiedereröffnung der Gastronomie in Bayern wurde schließlich in seinem Wirtshaus zusammen mit der bayerischen Staatsregierung ausgearbeitet.

Von diesem Konzept profitiert auch Stefan Kastner, der Besitzer des Waldgasthofs Buchenhain, 20 Kilometer weiter südlich. Sein Unternehmen baut auf vier Säulen auf: Neben Hotellerie, Gastronomie, Wein- und Spirituosenhandel hat auch er einen Biergarten mit bis zu 800 Plätzen. „Wir waren in den Monaten Juni, Juli und August sogar besser als letztes Jahr“, sagt Kastner. Nicht zuletzt verdankt er das dem Vertrauen seiner Gäste. Und für den Winter hat er seinen Lieferservice ausgebaut. Ebenso hat der Waldgasthof inzwischen einen Shop im Netz. „Der Online-Handel ist natürlich einer der Gewinner in der Krise“, so Kastner. „Der hat uns ganz gut über Wasser gehalten und war ein großer Vorteil.“

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Buchenhain_Kastner
Inhaber Stefan Kastner vor dem Waldgasthof Buchenhain, auch hier sind die Maßnahmen sichtbar. Credit:Janik Hölzer

Gänzlich spurlos ging die zeitweise Schließung aber an beiden Betrieben nicht vorüber. Damit er nicht in finanzielle Schwierigkeiten kommt, hat Kastner seine 400 Flaschen umfassende Whiskeysammlung versteigert. Vogler nahm hingegen einen Kredit auf. Beide Gastronomen halten an ihren Teams fest - die Kurzarbeit-Regelung ermöglichte dies. Loyalität sei schließlich keine Einbahnstraße, so Vogler. „Man kann nicht einerseits Loyalität einfordern und in der Krise schmeißt man die Leute dann raus. Das tut man nicht." Sogar Mitarbeiter, die sich in der Probezeit befanden, seien übernommen worden.

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Biergarten
Blick in den Biergarten des Augustiner Kellers: Auch während Covid-19 bleibt der Besuch nicht gänzlich aus. Credit: Janik Hölzer

Auf Drängen seiner Versicherung schloss Vogler im März eine Betriebsausfallversicherung ab. Doch als es um die Haftung im Falle der aktuellen Corona-Krise geht, bietet die Versicherung nur einen Vergleich in Höhe von 15 Prozent für alle Verträge dieser Art an. Angesichts der ernsten Lage ist das für ihn zu wenig, schließlich geht es um 1,014 Millionen Euro. Somit setzt sich Vogler das Ziel, nicht nur in eigenem Interesse, einen Präzedenzfall für alle Gastronomiebetreiber zu schaffen. Er bekommt am 1. Oktober vor dem Landgericht München in erster Instanz recht.

Vogler möchte in erster Linie seinen Mitarbeiten etwas zurückgeben und durch weitere Maßnahmen in sein Konzept investieren. Um den Biergarten auch in den Wintermonaten nutzen zu können, baute der Augustiner-Keller beheizte Schäferwagen, damit die Gäste größere Innenräume meiden und zumindest draußen zusammenkommen können. Der Wirt sieht die Zukunft seines Betriebs „rosig“, wie er sagt: „Die Pandemie wird vorübergehen, und Augustiner gibt es seit 1328“, so Vogler. „So ein Jahr oder anderthalb Jahre Krise ist jetzt nichts, was uns aus den Latschen kippen lässt.“

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