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Arbeiten in der Corona-Krise: Optimismus und Überstunden

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 Zahnarzt Ulf Krathge in seiner Praxis: „Die Kosten sind ziemlich explodiert“ Credit: Nils Bergmann
Zahnarzt Ulf Krathge in seiner Praxis: „Die Kosten sind ziemlich explodiert.“
Credit: Nils Bergmann
Welche Folgen hat die Corona-Krise für systemrelevante Berufe? Ein Zahnarzt, eine Zahnarzthelferin und ein Apotheker aus Hessen erzählen.
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Es ist ein sonniger Donnerstag im nordhessischen Lohne. In den Gärten sammelt sich das Herbstlaub, durch die Fenster der Praxis von Zahnarzt Ulf Krathge sieht man die Assistentinnen bei ihrer Arbeit. Alles scheint normal, doch die Corona-Pandemie ist allgegenwärtig - vor allem finanziell. Laut Bundeszahnärztekammer ist seit April 2020 die Zahl der Zahnarztbesuche um mehr als 50 Prozent zurückgegangen. Mit negativen Folgen für das laufende Geschäftsjahr.

„Ich gehe davon aus, dass wir im Vergleich zum vorherigen Jahr ein schlechteres haben werden“, sagt Krathge. „Aber es wird uns nicht in der Existenz bedrohen.“ Die größte Herausforderung liegt aus Sicht des Zahnarztes woanders: „Die Hauptbelastung für dieses Jahr sehe ich persönlich gar nicht so sehr im Fehlen der Patienten, sondern vor allem auf der Kostenschiene, weil das Material so teuer geworden ist.“ Aktuell hätten sie zwar in der Praxis „gut zu tun“, da die Patienten schnell wieder neuen Mut gefasst hätten, jedoch seien die Kosten für das Praxismaterial geradezu explodiert. „Hatten wir vorher für Handschuhe und Flächendesinfektionsmittel etwa Ausgaben von 950 Euro, sind diese auf circa 1350 Euro gestiegen“, sagt Krathge.

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 Zahnarzt Ulf Krathge in seiner Praxis: „Die Kosten sind ziemlich explodiert“ Credit: Nils Bergmann
Zahnarzt Ulf Krathge in seiner Praxis: „Die Kosten sind ziemlich explodiert."
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Nach Recherchen der Fachzeitschrift „Die Zahnarztwoche“ betrugen bereits vor der Pandemie die Hygienekosten von Zahnarztpraxen das Zehnfache einer Hausarztpraxis. Die Gründe: hohe Materialpreise und Ausgaben für zusätzliche Schutzvorkehrungen. Beim Betreten der Praxis merkt man auch schnell, warum: Desinfektionsmittelspender für die Patienten, eine Plexiglaswand an der Anmeldung, hinter der auch die Zahnarzthelferinnen permanent Mund-Nasen-Schutz und Schutzhandschuhe tragen müssen.

Corinna Bergmann, Zahnarzthelferin in der Praxis von Krathge, ist davon ebenfalls betroffen. „Außerdem haben wir durch Corona zusätzliche Aufgaben hinzubekommen, wie die Flächendesinfektion benutzter Stühle im Wartezimmer nach jedem Patienten“, sagt sie, bevor sie wieder einen Anruf entgegennimmt. Der Bedarf an Desinfektionsmitteln, Mund-Nasen-Schutz und Handschuhen ist hoch – und die Preise sind durch die Pandemie gestiegen.

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 Mund-Nasen-Schutz, Einmalhandschuhe und Plexiglaswand. Für die Zahnarzthelferin Corinna Bergmann gehört nun auch das zum Berufsalltag. Credit: Nils Bergmann
Mund-Nasen-Schutz, Einmalhandschuhe und Plexiglaswand. Für die Zahnarzthelferin Corinna Bergmann gehört nun auch das zum Berufsalltag.
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Dieses Problem hat auch der Remsfelder Apotheker Kosmas Papadopoulus. In seiner Apotheke hat er Hinweisschilder und Desinfektionsmittelspender im Eingangsbereich platziert, Markierungen auf dem Boden sollen für den nötigen Sicherheitsabstand sorgen, die Theke und der Kassenbereich sind durch eine großflächige Plexiglaswand vom Rest des Raums getrennt. Seine Apotheke sei existenziell nicht bedroht, erklärt Papadopoulus, aber er habe finanzielle Einbußen durch erhöhte Ausgaben für den Hygieneschutz und das unbeständige Kaufverhalten seiner Kunden.

Zu Beginn der Krise hätten sich viele Kunden Vorräte angelegt. Ab Mai sei die Nachfrage deutlich eingebrochen, so der Apotheker. Auch habe sich der Bedarf an Medikamentenauslieferungen durch die Apotheke verändert. „Vor der Pandemie sind wir täglich etwa zweieinhalb Stunden Botendienste gefahren“, so Papadopoulus. Jetzt seien es fast doppelt so viel, weshalb er auch zusätzliche Fahrer einstellen musste. Nach Angaben des Hessischen Apothekerverbandes haben die Botendienste stark zugenommen. Bis zu 150 sind es täglich. Für die Zukunft ist Papadopoulus zuversichtlich. Die Arbeitsabläufe seien inzwischen zwar anders und es sei eben „nicht mehr so wie früher“, doch trotz der Vorschriften sei ein normales Arbeiten möglich. Dennoch ist die Arbeitsbelastung für alle angestiegen. „Meine Überstunden zähle ich jetzt nicht mehr mit“, sagt er. Jeder Mitarbeiter würde auf fünf bis zehn Überstunden pro Woche kommen, so der Apotheker. Gerade am Anfang der Krise sei es schlimm gewesen. Inzwischen habe es sich aber etwas eingependelt.

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Optimistisch trotz Corona-Krise: Apotheker Papadopoulus.Credit: Nils Bergmann
Optimistisch trotz Corona-Krise: Apotheker Papadopoulus
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Für die Zukunft gibt sich Papadopoulus zuversichtlich. Man hätte sich gut vorbereitet und bevorratet, arbeite inzwischen in einem Zwei-Schicht-System, damit man sich im Falle einer Infektion nicht gegenseitig anstecke. Ob es gar zu einer dritten Welle kommen könnte, hinge von den „Patienten und Leuten“ ab. Im Falle einer Lockerung der Maßnahmen könnten die Infektionszahlen möglicherweise wieder steigen. Bei einer Sache ist sich der Apotheker aber sicher: „Corona wird uns noch eine längere Zeit beschäftigen.“

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