Wirtschaft

Raus aus der Riester-Rente

Andreas Geyer
Maximilian Dietrich
Patric Sievert
Lesezeit 10 Minuten
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Biometrisches Risiko: Wer länger lebt als erwartet, läuft Gefahr, dass sein Erspartes nicht ausreicht.
Credit: Dietrich, Maximilian
In diesem Jahr hat die Riester-Rente ihr 20. Jubiläum. Hat sich das Konzept der ergänzenden Altersvorsorge bewährt? In diesem Feature gehen wir der Frage nach.
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Das Büro von Yves-Dominique Buschmann sieht aus, wie Versicherungsbüros eben aussehen: Glastüren und ein aufgeräumter Schreibtisch. Die Palme in der Ecke ist der einzige Farbklecks zwischen weißer, Urkunden-behangener Wand, weißen Regalen und Buschmanns ebenso weißem Ralph-Lauren-Polohemd. Alles gewöhnlich. Ungewöhnlich ist es jedoch, wie lange der Versicherungskaufmann und Bezirksdirektor der Signal Iduna über ein Produkt spricht, das er gar nicht mehr verkauft: Die Riester-Rente.

Im Zuge der Rentenreform 2002 wurde die Riester-Rente unter ihrem Namensgeber, dem damaligen Arbeitsminister Walter Riester (SPD), eingeführt. Nach der Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus sollten dadurch Arbeitnehmer ergänzend fürs Alter vorsorgen können. Die gesetzliche Rente finanziert sich paritätisch. Das heißt Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen sich die Beiträge. Wer „riestert“ macht das mit seinem eigenen Netto-Gehalt, bekommt jedoch staatliche Zulagen. Wer mindestens vier Prozent seines Brutto-Einkommens aufwendet, bekommt vom Staat 175 Euro im Jahr. Eltern erhalten eine jährliche Kinderzulage, außerdem können die Beitragszahlungen steuerlich berücksichtigt werden. So das Konzept.

„Die Riester-Rente ist wohl am ehesten sinnvoll für Familien mit vielen Kindern und wenig Einkommen“, sagt Buschmann. Sein Kollege Philipp-Andreas Krüger ergänzt zustimmend: „Sie ist aber ein unflexibles und verwaltungsaufwendiges Produkt. Um die volle Förderung zu bekommen, muss jedes Jahr mit dem Kunden kontrolliert werden, ob wirklich vier Prozent des aktuellen Bruttos eingezahlt werden. Ansonsten gibt’s eine Kürzung bei der Zulage.“ Die Förderung bewilligt hingegen die Zulagenstelle der Deutschen Rentenversicherung nach einer eigenen Überprüfung. „Der Kostenapparat hinter so einem Riester-Vertrag ist enorm“, sagt Krüger. „Riestern“ könne Sinn machen, müsse es aber nicht, pflichtet ihm Buschmann bei. Das sei eine Frage der Philosophie.

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Videointerview mit dem Bezirksdirektor der Signal Iduna Buschmann.
Credit: Dietrich, Maximilian

Eine gänzlich andere Philosophie vertritt das Bündnis „Stoppt die Riester-Rente“. Der Zusammenschluss aus Verbraucherschutz, Bund der Versicherten und der Bürgerbewegung Finanzwende forderte in einem Positionspapier vor der Bundestagswahl 2021 nicht weniger als die Abschaffung der Riester-Rente. Viel zu viel Fördergeld komme den Anbietern und Vertrieben zugute, nicht aber den Sparern, begründet das Bündnis seine Forderung in dem Papier. Die hohen Verwaltungskosten der Riester-Verträge stehen bereits seit ihrer Einführung in der Kritik. Öffentlich geriet das Vorsorgemodell zusehends unter Druck. Seitdem wird dem ungeliebten Stiefkind deutscher Rentenpolitik Wirksamkeit ab- und Lobbyförderung zugesprochen.

Überraschend für viele Verbraucher kam das Bündnis seiner Forderung kürzlich ein ganzes Stück näher: Namhafte Versicherer und Banken zogen sich zum Ende des Jahres 2021 aus dem vermeintlich profitablen Geschäft zurück. Darunter die Generali, fünft größter Versicherer Deutschlands, die Signal Iduna, aktuell Zehntplatzierter und mit der Deka auch das Wertpapierhaus der Sparkassen, die mit über 32 Millionen Kunden die Spitze deutscher Banken anführt.

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Niedrigzins auf Gespartes. Riester-Rente als Altersvorsorge?
Credit: Dietrich, Maximilian

Hatte man dort nach Jahren der Kritik die Tasche oder die Nase voll? Yves-Dominique Buschmann lacht. „Weder das eine noch das andere“, sagt der Versicherungskaufmann. „Der entscheidende Punkt war die erneute Absenkung des Garantiezinses zum Jahreswechsel. Bei diesem Zinsniveau sind die Konditionen, wie wir sie bei Altverträgen haben, auch gar nicht mehr darstellbar.“ Was der Experte in zwei Sätzen zusammenfasst, ist eine inzwischen mehrjährige Entwicklung.

Der Garantiezins ist der Prozentsatz, den der Versicherungsgeber dem Kunden beim Abschluss des Vertrags zusichert. Der Zins wird aber nur auf das angerechnet, was übrigbleibt, wenn die Verwaltungskosten des Produkts abgezogen wurden. Sind diese abgezogenen Kosten nun aber höher als der Betrag, der durch die Verzinsung wieder hinzukommt, entsteht ein Verlust. Nicht nur für die Beitragszahler, sondern auch für die Versicherungen ein Problem. Denn was Lebensversicherungen, und zu diesen zählt im weiteren Sinne auch die Riesterrente, von anderen Finanzanlagen unterscheidet, ist die Beitragsgarantie. Diese sichert dem Kunden zu, dass er am Ende mindestens die Summe ausgezahlt bekommt, die er einst an Beiträgen eingezahlt hat. Eine gesetzliche Bestimmung, die eben dann nicht mehr eingehalten werden kann, wenn die Zinsen die Kosten nicht mehr ausgleichen.

Dieser Garantiezins wird durch Vorgaben des Bundesfinanzministeriums beeinflusst. Die jährlichen Anpassungen drückten den Zinssatz über die letzten zwei Dekaden von vier Prozent auf 0,9 Prozent im Jahr 2021. Die erneute Absenkung auf 0,25 Prozent zu Beginn des Jahres war nun der Todesstoß für eine Vielzahl von Riester-Angeboten.

„Auch für die Produkte der Generali Versicherung, die ich vertrieben habe“, sagt Eugen Schmidt, selbständiger Vermögens- und Finanzberater. Bei allen Kritikpunkten habe er stets seinen rund 750 Kunden zu den Produkten geraten. Entgegen der Meinung Buschmanns sah er die Vorzüge des „Riesterns“ für Kunden aus dem akademischen Umfeld. „Die haben sehr schnell verstanden, dass es die steuerliche Berücksichtigung der Riester-Beiträge ist, die Ihnen finanzielle Vorteile bringt.“ Er ärgere sich stark über die Entwicklung. Die Riester-Rente sei zwar nicht perfekt und auch nicht für jeden lohnend, aber eben alternativlos. „Mein Steuerprof während des Studiums sagte: Die Riester-Rente ist scheiße, aber es gibt nichts besseres.“

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Studenten im Gespräch mit der Signal Iduna.
Credit: Dietrich, Maximilian

Natürlich wären die Produkte nie die renditestärksten gewesen, aber darum wäre es auch vorrangig nicht gegangen, erklärt Schmidt. „Nur eine Versicherung deckt das biometrische Risiko ab, dass ich länger lebe, als ich glaube. Ich sichere mir damit eine lebenslange Rente, unabhängig davon, wie viel Kapital drin ist oder wie alt ich werde. Alles darüber hinaus muss ins Depot!“ Die Kunden, die davon bisher nicht überzeugt waren, habe er noch versucht, für einen Vertragsabschluss zu gewinnen, bevor das Neugeschäft eingestellt wurde. „Bestandskunden wurde der Vertrag natürlich nicht gekündigt. Ein Sockelbeitrag von fünf Euro im Monat reicht aus, bringt aber noch keine Förderung. Gleiches gilt übrigens für meine Provision.“

Werden die verbleibenden Riester-Anbieter das Neugeschäft fortführen? Eine Prognose könnten die seit Jahren rückläufigen Zahlen der besparten Verträge sein. Darauf angesprochen, ob die Riester-Rente reformierbar sei, ist Buschmann skeptisch: „Man kann ja alles irgendwie reformieren, aber die Prozesse müssten schon deutlich schlanker werden. Allein das mit dem Namen Riester zu machen, das wird glaube ich nichts“.

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Andreas Geyer
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