Wirtschaft

Wenn der Fortschritt durch die Felder pflügt

Viktoria Schmidt
Jean-Lennard Walter
Philip Szelag
Lesezeit 10 Minuten
Moderner Traktor auf Feld
Credit: Schmidt
Wo der eine mit der Hand anpackt, lässt der andere die Technologie für sich arbeiten. Wie beeinflusst Technik den Alltag auf dem Bauernhof? Ein Ausschnitt aus dem Leben zweier Landwirte.
Lesezeit 10 Minuten

Auch wenn jeder Tag verschieden ist, gibt es für Josef Büns eine Konstante: Die Kühe. Jeden Morgen, Tag ein Tag aus, müssen sie gemolken werden. Büns ist Bio-Landwirt an der deutsch-holländischen Grenze. Den Betrieb hat er 1974 von seinem Vater übernommen. „Damals wäre ich gerne Sportlehrer geworden“, sagt der 67-jährige. Doch anstelle von Fußball und Geräteturnen verbrachte er drei Jahre auf der Berufsschule, bis er den Abschluss als staatlich geprüfter Fachwirt machte. Jetzt kniet er in einer schwarzen Latzhose und Gummistiefeln in seinem Kuhstall. Routiniert bringt er die Saugschläuche einer in die Jahre gekommenen Autotandem-Melkanlage an eine seiner Kühe an. Heutzutage sind vollautomatisierte Melkroboter die modernste Art der Milchgewinnung. Hierbei werden ganz ohne menschliches Einwirken mittels Sensoren und Laser die Zitzen gesucht, gemolken und der Melkvorgang auch wieder beendet.

 

 

Dass er in der Landwirtschaft landen wird, habe er sich nicht ausgesucht. „Meine älteren Geschwister hatten keine Lust und ich blieb übrig. Mein Vater hat mich bereits im Kindergarten geprägt, dass ich eines Tages den Hof übernehmen muss“, erklärt der Bauer. Laut der Landwirtschaftszählung 2020 sind 46 Prozent aller Beschäftigten in der Landwirtschaft Familienarbeitskräfte. In Westdeutschland ist das noch einmal deutlich ausgeprägter als im Osten der Republik. Dort sind es oft Festangestellte. „Damals war das gang und gäbe. Tradition muss aufrechterhalten werden“, sagt Büns mit ernster Miene.

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Kuheuter an Melkanlage
Melkbecher der Melkanlage, angebracht an den Eutern einer Kuh.
Credit: Walter

Traditionsreich ist auch der Bauernhof von Johannes Eller. Zusammen mit seinem Vater betreibt der 24-jährige den Ellerhof im Dorf Schupbach in Hessen. „Meine Familie hat Felder und Hof nun schon in der vierzehnten Generation, da wurde es mir dementsprechend in die Wiege gelegt“, erzählt er. Das hindert ihn allerdings nicht an technischem Fortschritt. Während er über seinen Werdegang redet, bewegen sich die Eier auf dem Fließband im mobilen Hühnerstall. Ebenso die Reinigung erfolgt automatisiert, lediglich hin und wieder muss händisch nachgeholfen werden. „Ich wollte ein bisschen mehr wissen als das, was man in der Ausbildung lernt. Durch das Studium habe ich auch eine Abwechslung von der Landwirtschaft zu Hause“, sagt Eller. Er studiert Agrarwirtschaft an der Universität Gießen. Dem statistischem Bundesamt nach waren im letzten Jahr an deutschen Hochschulen über 15.000 Studeten im Studienfach der Agrarwirtschaft eingeschrieben. In den letzten 20 Jahren hat sich diese Zahl fast verdoppelt. Die Anzahl der Auszubildenden in der Landwirtschaft hingegen ist seit 2007 fast durchgängig rückläufig. Ellers Vater befüllt nach der Entnahme der Eier ihren Verkaufsautomaten damit. Hier können sich Kunden verschiedene Erzeugnisse des Hofes entnehmen – alles auf Vertrauensbasis. Ein Konzept, das Erfolg hat; der Automat ist in der ganzen Gemeinde beliebt.

 

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Bauer Eller in seinem Hofladen
Johannes Eller neben seinem Verkaufsautomaten. – „Der Fokus liegt auf der Direktvermarktung.“
Credit: Schmidt

„Vor fünf Jahren haben wir unseren ersten Schlepper mit GPS Ausstattung bekommen“, erinnert sich Eller. Seitdem sei der Ellerhof immer moderner geworden. Die Fahrzeuge fahren selbstständig nach voreingestellten Spurlinien, düngen und säen automatisch in festgelegten Bereichen. Das dafür genutzte System nennt sich Section Control. Hiermit spare er Zeit; und noch ein bisschen mehr: „Dadurch haben wir Dünger und Ressourcen gespart und gleichzeitig die Umwelt geschont“, sagt er stolz über seine Maschinen.

 

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Bauer steht vor Traktor
Ein automatisch fahrender Traktor, an dem eine Maschine zum Aussähen angebracht ist.
Credit: Schmidt

Bei Büns hingegen ist es nun Zeit für Hofarbeiten. „Kein Tag gleicht dem anderen. Es gilt, immer wieder neue Herausforderungen zu meistern“, erzählt er, während er Pflastersteine in die Schubkarre lädt. Aktuell verkauft er diese neben seinen Milcherzeugnissen. „Ich mache sehr viel Handarbeit. Neue Anlagen bedeuten auch immer mehr Stromverbrauch“, erklärt Büns. Da es absehbar war, dass der Hof ausläuft, habe er nicht weiter investiert, denn „es gibt einfach keinen adäquaten Nachfolger“, erzählt der Bauer. Den Biohof wird Büns mit in seine Rente nehmen. „Immer mehr kleine Höfe werden verschwinden und wenige große Betriebe bleiben. Das ist die Zukunft, Strukturwandel nennt man das“, sagt er ganz nüchtern. Momentan werden 62 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche von 14 Prozent der Betriebe bewirtschaftet, wie das Statistische Bundesamt feststellt. Seit der Landwirtschaftszählung 2010 ist die Anzahl der Betriebe um 12 Prozent gesunken, während sich die genutzte Fläche kaum verändert hat.

 

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Bauer Büns mit Kuh
Josef Büns und sein Zuchtbulle. – „Wenn, dann sind wohl die Kühe meine Angestellten.“
Credit: Walter

Angestellte, die ihn bei der Arbeit unterstützen, kann sich Büns nicht leisten. Auf dem Weg zum zweiten Melken des Tages sagt er und grinst: „Wenn, dann sind wohl die Kühe meine Angestellten.“ Eller und sein Vater sind aktuell noch zu zweit auf ihrem Hof. Angestellten hätten sie keine. „Das geht bisher ohne“, sagt er. Hinzu kommt der seit Jahren anhaltende Negativtrend der Beschäftigtenanzahl in der Landwirtschaft.

 

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Kuh auf Feld
Eine Kuh von Josef Büns‘ Rinderherde beim Weiden. Nach dem morgendlichen Melken braucht es eine Stärkung.
Credit: Walter

Dieses Jahr findet man auf den weit verstreuten Feldern des Ellerhofs Sommerweizen und Raps vor. Für den Anbau der Zuckerrüben ist es aufgrund starker Regenfälle noch zu nass. Auch, wenn der Raps momentan direkt in den Verkauf geht, möchte Eller diesen in Zukunft selbst verarbeiten und als Öl verkaufen. „Der Fokus liegt auf der Direktvermarktung, weniger dem Flächenwachstum“, sagt Eller. „Unser Steckenpferd sind zurzeit unsere Kartoffeln und Eier, die über den Automaten verkauft werden. Der soll im Sommer noch um Eis und Fleisch erweitert werden.“, ergänzt der Bauer.

 

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Blick auf die Felder
Credit: Schmidt

Dieses Jahr findet man auf den weit verstreuten Feldern des Ellerhofs Sommerweizen und Raps vor. Für den Anbau der Zuckerrüben ist es aufgrund starker Regenfälle noch zu nass. Auch, wenn der Raps momentan direkt in den Verkauf geht, möchte Eller diesen in Zukunft selbst verarbeiten und als Öl verkaufen. „Der Fokus liegt auf der Direktvermarktung, weniger dem Flächenwachstum“, sagt Eller. „Unser Steckenpferd sind zurzeit unsere Kartoffeln und Eier, die über den Automaten verkauft werden. Der soll im Sommer noch um Eis und Fleisch erweitert werden.“, ergänzt der Bauer.

 

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Moderner Traktor auf Feld
Ein Blick über die Felder des Ellerhofs. Neben Raps und Sommerweizen werden hier auch Zuckerrüben angebaut.
Credit: Schmidt

Laut einer Studie des Bundeslandwirtschaftsministeriums wird prognostiziert, dass in den kommenden Jahren immer mehr Betriebe auf Direktvermarktung setzen werden. Das geschieht unter anderem durch Hofläden oder Verkaufsautomaten. Die Motivation hierzu liegt bei den befragten konventionellen Betrieben bei knapp 50 Prozent, während Bio-Landwirte zu 70 Prozent ihre Direktvermarktung ausbauen wollen. Eller könne sich auch vorstellen, später eine Beratungstätigkeit in der Landwirtschaft zu übernehmen. „Ich wurde nie dazu gezwungen, ich mache das aus eigenem Interesse“, erzählt Eller. An seinem Beruf schätze er vor allem die tägliche Abwechslung. Und nicht nur das: „Mir wird immer wieder gezeigt, wie wichtig es ist, mit der Natur zu arbeiten, anstatt gegen sie.“

Ein Artikel von

Viktoria Schmidt
Jean-Lennard Walter
Philip Szelag