"Ohne die geht‘s nicht"
Noch vor Sonnenaufgang arbeiten sie bereits auf den Feldern. Nur das Metall ihrer Stecheisen reflektiert bereits die zarte Morgensonne. Hier stehen sie nun, die unsichtbaren Helden dieser Geschichte: Saisonarbeiter. Sie kommen aus Polen, Rumänien, Moldawien und sorgen dafür, dass am Ende bei dem Landwirtschaftsbetrieb "Familie Wolf” alles läuft.
Auf den insgesamt 13 Hektar Spargelfeldern arbeiten rund 40 Saisonarbeiter in Ebersried, um hier jährlich hunderte Kilogramm Spargel zu ernten. Doch es wird nicht nur auf dem Feld geackert, wie Helena, eine Saisonarbeiterin aus Polen, erklärt. Denn auch im dunklen und teils sehr kühlen Lager des Betriebes arbeiten sie und vier weitere Frauen. Dort waschen, sortieren, schälen und kühlen sie den Spargel. Tagein tagaus. Doch dazu will sie später mehr erzählen, sagt sie, während sie zum Auto läuft, um damit zu den Feldern zu fahren.
Kreuz und Quer wie in einem Labyrinth durchquert das “Feldauto” Felder, um an die Spargelplantagen zu gelangen. Auf dem Weg dorthin erzählt Helena ein bisschen über sich. Wie viele andere Saisonarbeiter komme sie aus Polen. Ihre Heimat sei Breslau. Eine Großstadt im Westen von Polen, über 500 Kilometer von Ebersried entfernt. Diese Strecke überwindet Helena seit nun schon 30 Jahren, um für die Familie Wolf zu arbeiten. In Breslau seien die Felder nicht so gut wie in Deutschland, erklärt sie. “Außerdem macht es Spaß hier zu arbeiten", sagt sie grinsend. Neben Polen kämen viele Arbeiter auch aus Rumänien hierer.
Daten aus dem Landwirtschaftsbericht “Saisonarbeit in der Landwirtschaft 2022” der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt zeigen auf, dass insgesamt 135.155 Saisonarbeiter aus dem EU-Ausland und aus Drittstaaten nach Deutschland kommen. Davon rund 36.000 Arbeiter aus Polen und die meisten aus Rumänien, nämlich 68.941.
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Als Landwirtschaftsmeister und seit 25 Jahren Zuständiger für den Betrieb berichtet der 52-jährige Manfred Wolf, dass nicht immer so viele Saisonarbeiter die Reise nach Ebersried antreten konnten. Die Corona-Pandemie sei maßgeblich daran schuld gewesen, dass im Jahr 2020 zu Beginn kaum Saisonarbeiter nach Deutschland kommen konnten. ”Das Problem war zu Beginn der Spargelernte, als die Grenzen mal komplett geschlossen waren", erzählt der Landwirtschaftsmeister.
Viele Landwirtschaftsbetriebe versuchen vor allem durch diverse Jobportale in dieser Zeit Helfer aus der Heimat und der Umgebung zu finden. Mit dem Slogan “Unterstütze die Landwirtschaft. Unterstütze uns” wirbt die mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Jahr 2020 gegründete Aktion “das Land hilft". Auf der Internetseite können sich Interessierte kostenlos auf Stellenanzeigen bewerben. Auch die Familie Wolf hat während Corona Unterstützung in ihrer Umgebung gesucht. “Wir haben auch bei uns in der Umgebung nach Hilfe gesucht und anfänglich ein paar Leute gefunden“, so der Landwirtschaftsmeister. Was diese temporären Hilfskräfte normalerweise beruflich machen, sei dabei im Regelfall egal. “Das war quer gemischt, von Studentinnen über Leute aus der Reisebranche", sagt Wolf. Das große Problem sei jedoch, dass die meisten Bewerber die körperlichen Anforderungen unterschätzen würden. Sei es das frühe Aufstehen, die anspruchsvolle und schweißtreibende Arbeit oder die knallende Mittagssonne: die meisten geben nach einigen Tagen wieder auf. “Es hat sich sehr schnell herausgestellt, dass Spargelernte für sie nicht die richtige Arbeit ist“, sagt Wolf leicht zynisch.
Die langfristige Bindung von Erntehelfern aus dem heimischen Arbeitsmarkt gestaltet sich schwierig. Saisonarbeiter spielen oftmals eine signifikante wichtige Rolle. Laut einer Landwirtschaftszählung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2020 bilden sie sogar die größte Gruppe mit 29 Prozent, während Familienarbeitskräfte die größte Arbeitskraft in der Landwirtschaft stellen. Das Fehlen dieser Arbeiter während der Pandemie beeinflusste die gesamte Landwirtschaft und führte zu Absatzeinbrüchen, insbesondere bei den arbeitsintensiven Sonderkulturen.
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Wenn Saisonkräfte so wichtig sind, wieso werden sie zum Teil noch unfair behandelt? Ein Grund dafür ist, dass schlichtweg die Kapazitäten innerhalb der für die landwirtschaftlichen zuständigen Kontrollorganisationen fehlen. Benjamin Luig, Autor des „Saisonberichts 2022 - Saisonarbeit in der Landwirtschaft“ schreibt, dass das Problem bei der Kontrolle des Arbeitsschutzes, die sehr begrenzten Kapazitäten der Behörden und der Berufsgenossenschaft seien. Luig erwähnt, dass bundesweit sich branchenübergreifend nur knapp 1500 Aufsichtsbeamte um die Einhaltung der betrieblichen Arbeitsschutzvorschriften kümmern. Bei dieser Zahl käme rechnerisch ein Kontrolleur auf über 25.000 Beschäftigte.
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Familie Wolf legt großen Wert darauf, fair mit ihren Saisonarbeitern umzugehen, sowohl jetzt als auch in Zukunft. Die Saisonarbeiter seien unabkömmlich für ihren Betrieb. "Ohne sie geht's nicht!", sagt Manfred Wolf. "Ich finde es schon wichtig, dass man mit den Leuten vernünftig umgeht, dass das ein Geben und Nehmen ist, weil es uns den ganzen Betriebsablauf vereinfacht, wenn die Leute zufrieden sind. Dann sind sie motiviert und kommen auch in Zukunft wieder. Das bedeutet, dass ich immer einen Stamm von Arbeitern habe und muss nicht jedes Jahr die Arbeit neu zeigen.“ Der richtige Umgang mit den Saisonarbeitern liege vor allem in der Transparenz. Auf die Frage, wie er seine Arbeiter zufriedenstelle, antwortet Wolf: "Das geht los bei Grunddingen. Dass die Unterkünfte in Ordnung sind und passen, selbstverständlich die Bezahlung und dass auch auf familiäre Beziehungen Rücksicht genommen wird. Dass auch die Ehefrauen hierherkommen können, auch wenn Sie dann nicht auf dem Feld mithelfen.“
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